Beifang
Kuttler die Wiese herauf und auf die Veranda zu, und von der Seite her sah sie, dass Steinbronner schmale Augen bekam.
»Haben Sie sich verletzt?«, wollte Veesendonk von Kuttler wissen, gleichzeitig tauschte er einen Handschlag mit Berndorf. Kuttler sagte, er habe sich die Hände aufgeschürft, mehr sei nicht passiert. Berndorf nickte den anderen zu, auch ihr, auch Steinbronner.
»Warum kommst du über die Wiese?«, fragte der.
»Ihr habt die Straße zugeparkt«, antwortete Berndorf. »Deswegen haben wir den Uferweg genommen.«
»Und was willst du hier?«
»Geht dich das was an? Aber bitte. Ihr sucht diesen Schmuck. Und ich passe auf, dass du ihn nicht stiehlst.«
Steinbronner schüttelte den Kopf. »Wovon redest du?«
»Wenn ich Herrn Berndorf richtig verstehe«, schaltete sich Veesendonk ein, »dann will er uns daran erinnern, dass dieser Schmuck - wenn wir ihn denn finden - seinen rechtmä ßigen Eigentümern zurückgegeben werden muss, deren Erben, genauer gesagt.«
»Gewiss doch«, antwortete Steinbronner. »Aber wieso redet er von Stehlen?«
»Weil der deutsche Staat das schon einmal versucht hat«, sagte Berndorf. »Er hat versucht, diesen Schmuck zu stehlen. Darum.«
Steinbronner zuckte die Achseln und drehte sich um, so dass er
Siegfried Ehret vor sich hatte, den unglücklichen Vater, der noch immer auf jemanden wartete, der seine Klagen anhören oder ihm einen Rat geben würde. Steinbronner nickte ihm aber nur zu und machte eine weitere Kehrtwendung, die Treppe hinab, und blieb abrupt stehen, als einer von Dorpats Beamten auf ihn zukam.
Der Mann hob grüßend die Hand und stellte sich vor. »Hummayer, Dezernat eins. Wir sollen diesen Komposthaufen auseinandernehmen. Aber da ist ein Problem.«
»Ein Problem?«, echote Steinbronner. »Macht man sich die Hände dabei schmutzig, oder wie?«
»Das ist es nicht«, sagte Hummayer würdig. »Unter dem Kompost liegt eine Ringelnatter, vermutlich noch im Winterschlaf …«
Steinbronner folgte Hummayer, der ihn an dichtem Gebüsch vorbei zu einer Stelle führte, wo auf blauen Plastikplanen verrottete Gartenabfälle und Rasenschnitt ausgebreitet waren. Um den Rest des fast völlig abgebauten Komposthaufens standen mehrere Männer, auf ihre Spaten gestützt. Zwischen verfaultem Laub lag zusammengerollt ein graublaues, kaum erkennbares Ding. Steinbronner hatte keine Lust, näher heranzugehen, er hatte Angst vor Schlangen, schon immer gehabt, eine tief sitzende, lähmende Angst.
»Wir haben sie im letzten Augenblick entdeckt«, sagte Hummayer. »Sie ist nicht verletzt, sondern wahrscheinlich noch in der Winterstarre … Was machen wir jetzt?«
»Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter«, deklamierte eine Stimme. Sie gehörte dem dicken Menschen, der mit Berndorf in den Garten gekommen war und unversehens neben Steinbronner stand.
»Wer sind Sie?«, fragte der Kriminaldirektor, »was tun Sie hier und was ist das für ein blöder Spruch?«
»Jesaja elf, Vers acht«, kam die Antwort. »Übrigens: Walleter ist der Name, Wendel Walleter … die Ringelnatter steht unter Naturschutz, falls Sie es nicht wissen.«
»Das ist ja unser Problem«, meinte Hummayer.
»Wieso Problem?«, fragte Steinbronner zurück. »Rufen Sie beim Bund für Umwelt und Naturschutz an, da wird es einen Fachmann für Reptilien geben. Oder … Moment, muss eigentlich ich Sie daran erinnern, dass Sie hier in Ulm ein Terrarium haben? Wie heißt dieser Park? Die Au? Rufen Sie dort an und lassen Sie dieses Gewürm da abholen, und bis dahin decken Sie es meinetwegen wieder zu und sichern Sie diesen verdammten Komposthaufen, ich will wirklich wissen, was da drin ist...«
Grußlos wandte er sich ab und ging zum Haus zurück.
Niemand darf mit Fingern auf Sie zeigen«, sagte Veesendonk, »und wer es tut, der richtet sich selbst.«
Ehret, der die Gelegenheit genutzt hatte, den Richter in ein Gespräch zu ziehen, hörte ihm mit einer Miene zu, in der sich Trostlosigkeit und Enttäuschung mischten. Niemand konnte, niemand wollte ihm helfen, schien dieses Gesicht zu sagen.
»Aber die Zeitungen«, sagte er, »sie haben sogar unser Haus fotografiert und bei den Nachbarn nach Kinderfotos von Fiona gefragt.«
»Ich kann Ihnen nur raten«, sagte Veesendonk, »die Personalien dieser Leute festzustellen oder wenigstens die Nummernschilder zu notieren. Und dann reichen Sie Klage ein... Sonst können Sie nur
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