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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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»Diese Puppe da - sagt Ihnen die was?«
    »Nein, die sagt mir nichts.« Freundschuh schüttelte den Kopf. »Was soll sie mir schon sagen? Wo kommt das überhaupt her?«
    »Das ist hier gefunden worden«, sagte Veesendonk. »In Ihrem Haus. Unter Ihrem Dach. Sie sind doch hier aufgewachsen, nicht wahr?«
    »Ich hab diese Puppe nie gesehen...«
    »Haben in diesem Haus noch andere Kinder gelebt, Mädchen zum Beispiel?«

    »Keine Mädchen«, antwortete Freundschuh.
    »Diese Puppe hier«, warf die Anwältin ein, »ist etwa sieben oder acht Jahre alt. Ich weiß nicht, ob das den Kreis der Personen einengt, die mit ihr gespielt haben …«
    »Woran sehen Sie das?«, wollte Steinbronner wissen.
    »Frisur. Gesichtsschnitt.« Sie zuckte die Achseln. »Sie hat diese aufgepumpten Lippen. Inzwischen ist das schon wieder out.«
    Steinbronner nickte. »Schauen wir uns mal die Ausschnitte an.« Dorpat nahm die Puppe aus der Schachtel und legte sie behutsam auf den Deckel, dann holte er - mit spitzen Fingern - die Illustriertenausschnitte heraus, pornographische Billigware zumeist, auf schlechtem Papier gedruckt, mehr schmuddelig als obszön. Auf einer ganzen Seite, die aus einem Magazin herausgerissen war, entdeckte Dorpat ein Datum: Es lag gut fünf Jahre zurück.
    »Sie haben also keine Ahnung, wem diese Schachtel gehört?«, hakte Veesendonk nach.
    »Wie sollte ich?«, fragte Freundschuh zurück.
    »Sie gehört nicht zufälligerweise Ihrem Sohn?«, fragte Elaine Drautz sanft.
    Wolfgang Freundschuh schien zu erschrecken. »Das kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete er hastig. »Er war immer nur kurz hier, immer nur zu kurzen Besuchen oder über Nacht...«
    »Eben«, meinte Elaine Drautz. Freundschuh schüttelte den Kopf, als verstehe er nicht.
    »Wie alt ist denn Ihr Sohn?«, fragte Veesendonk.
    »Im Mai wird er neunzehn«, antwortete Freundschuh, »aber hören Sie - ich verstehe nicht, was das soll, das da …« - er zeigte auf die Schachtel oder auf die blonde Puppe, so genau war es nicht zu erkennen - »das ist doch Kinderkram …«
    »Das ist uns nicht verborgen geblieben.« Zum ersten Mal meldete sich Staatsanwalt Desarts zu Wort. »Aber meinen Sie nicht, es ist das Einfachste, wir fragen Ihren Herrn Sohn danach? Könnten Sie ihn herholen?«
    Freundschuh sah auf seine Armbanduhr. »Er ist jetzt im Training«, sagte er, und noch immer klang seine Stimme verstört.

    »Im Training«, wiederholte Elaine. »Welchen Sport betreibt Ihr Herr Sohn denn?«
    »Taekwon-Do«, antwortete Freundschuh, »er trainiert gerade für die Süddeutschen Meisterschaften.« Plötzlich schrak er hoch und sah sich um, in eine Runde stummer Gesichter.
    »Taekwon-Do«, wiederholte Veesendonk. »Selbstverteidigung mit Faust- und Fußstößen. Süddeutsche Meisterschaft. Nun gut.« Er sah sich um, sein Blick fiel auf Dorpat. »Lassen Sie sich doch bitte von Herrn Freundschuh sagen, wo sein Sohn trainiert. Und holen Sie ihn dann her, wenn möglich ohne größeres Aufsehen.«
    Elaine hatte sich einige Schritte von der Gruppe entfernt und beobachtete die Männer, die um den Campingtisch herumstanden; die blonde Barbiepuppe begann, ihre Wirkung zu tun, da musste sie gar nicht nachhelfen. Nicht ganz klar war ihr, wer von den Männern inzwischen Regie führte oder genauer: die Rolle des Alphatiers übernommen hatte. Die Durchsuchung war von Steinbronner veranlasst worden, aber es war Veesendonk, der die Fragen stellte. Und Steinbronner stand daneben und sah dem Richter zu, fast kam es ihr so vor, als beobachtete er ihn, wieso eigentlich?
    Ein Mann in einem Overall kam über den Rasen zur Veranda und sagte, die Leitern seien gesichert, ob er die Bäume absuchen lassen solle?
    »Das machen schon unsere Leute«, antwortete Steinbronner und sah plötzlich auf, hinüber zu Elaine, als habe er wahrgenommen, dass sie ihn beobachtet hatte. Sie lächelte knapp, auf die Gefahr hin, dass er es falsch verstand.
     
     
     
    Gut fühlte sich die Leiter an, das immerhin, sie schwankte nur ganz leicht, kaum merklich, aber jedenfalls schien sie fest verankert zu sein. Jedenfalls? Das Wort ist unpassend, dachte Kuttler und vermied einen Blick in die Tiefe, er hatte eine Fichte erwischt, einen alten, hohen, kratzigen Baum, so etwas pflanzt man doch nicht in einen Hausgarten, das weiß man doch, dass
das kein richtiger Standort ist. Und dabei werden diese Fichten hoch, so hoch, dass einer gar nicht glaubt, wie tief es von oben nach unten gehen kann, da kann die Leiter, auf

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