Beifang
Job getan«, antwortete er, »oder so gut wie.«
»Ah ja? Alle Übeltäter überführt und hinter Gittern?«
»Das war nicht mein Job«, widersprach er. »Ich sollte diesen Ring finden. Punkt.«
»Und - hast du?«
»Ja.« Er zögerte. »Er liegt hier vor mir. Ich hoffe nur, ich bin ihn bald wieder los.«
»Weißt du, wem er gehört hat?«
»Vielleicht bekomme ich morgen einen Hinweis darauf. Sonst …«
»Sonst könntest du eine Anzeige aufgeben«, ergänzte Barbara. »Vielleicht in der Jerusalem Post . Wird auch in der Diaspora gelesen.«
Dann sprachen sie davon, dass Barbara Mitte Juni nach Deutschland zurückkommen würde, und so unterhielten sie sich eine Weile über ihre nächsten Pläne und die Ferien, vielleicht wirklich ganz still im Schwarzwald, und irgendwann kam Berndorf doch noch in sein Bett und schlief, kaum dass er das Licht ausgeschaltet hatte.
Donnerstag, 21. Februar
Berndorf verließ die Hauptpost und erwischte mit der Hand eben noch seinen Hut, den ihm eine Regenbö vom Kopf reißen wollte. Ein Frühlingssturm? Nass und kalt war es, am liebsten wäre er zum Hauptbahnhof hinübergegangen und hätte den nächsten ICE nach Berlin genommen. Aber welche Aussicht bestand, dass es in Berlin weniger nass und kalt sein würde? Au ßerdem - das Päckchen, das er an seine Berliner Anschrift geschickt hatte, war nun auf dem Weg; die Hausbesorgerin würde es annehmen, also war es aufgeräumt und damit fast alles getan, was für ihn zu tun war.
Er wandte sich nach links, die Hand noch immer am Hut, denn die Böen zerrten daran und rissen und wollten ihr Opfer haben. Die wenigen Menschen, denen er begegnete, hatten es so eilig, wie man mit einem ständig aufklappenden Regenschirm noch eilig sein kann. Eine Fußgängerampel schaltete auf Grün, er überquerte die Straße, links vor ihm lag das Justizgebäude und ließ sich die wilhelminische Steinfassade vom Regen schrubben. Er ging weiter, in die Platzgasse hinein, steuerte raschen Schrittes Tonios Café an und schob den Vorhang, der dort an der Tür als Windfang diente, zur Seite.
»Nur herein«, rief der Gerichtsreporter Frenzel, »wenn’s kein Sensenmann ist.«
»Den, mein Lieber, werden Sie ja noch abwarten können«, antwortete Berndorf und setzte sich zu den beiden Männern, die am Ecktisch Platz genommen hatten - Frenzel hatte einen gespritzten Weißen vor sich, Kuttler saß vor einem großen Milchkaffee und kaute an einem Sandwich, die Augen gerötet und verschwollen, als hätte er die Nacht hindurch getrunken oder sie sich sonstwie um die Ohren geschlagen.
»Jetzt sehen Sie also schon am helllichten Morgen Gespenster«, bemerkte Berndorf und bestellte bei Tonio einen doppelten Espresso. »Ich glaube, Sie sollten beide auf eine gesündere Lebensführung achten. Mehr Schlaf. Weniger gespritzten Wei ßen.«
»Für jemanden, der andere nachts die tiefen Gräber ausheben lässt, reden Sie sehr erbaulich«, warf Kuttler ein.
»Übrigens sehen nicht wir Gespenster«, ergänzte Frenzel, »sondern sprachen gerade von Leuten, die auf der Jagd nach solchen sind. Irgendwie ist in diesem Zusammenhang Ihr Name gefallen.«
»Schade, dass Walleter nicht da ist«, bemerkte Berndorf. »Zu dem, was die Leute so reden, hätte er sicher einen passenden Bibelvers parat.« Er wandte sich an Kuttler. »Erfährt man heute Neues von unseren diversen Kriminalfällen? Vielleicht ein nettes kleines Geständnis in Aussicht?«
»Darum wollte ich Sie gerade bitten«, antwortete Kuttler. »Um ein nettes kleines Geständnis.«
»Und was soll ich gestehen?«
»Ach, quer durchs Strafgesetzbuch, Störung der Totenruhe und was Ihnen sonst so einfällt«, meinte Kuttler. »Außerdem könnten Sie uns erzählen, was Sie über den Verbleib eines güldnen Kettleins wissen, das schon wieder nicht da ist, wo es sein sollte. Beweismaterial sei das, sagt Desarts und ist ganz wild darauf, mit Ihnen darüber zu reden.«
»Er soll sich nicht lächerlich machen«, antwortete Berndorf. »Seit wann hat Desarts Beweismaterial nötig, um eine Mordanklage zusammenzuschustern?«
Kuttler gähnte. »Das können Sie ihm selbst sagen. Er will mit Ihnen reden.«
»Wozu? Desarts hat doch jetzt ein Geständnis, da hat er genug Arbeit und braucht nicht auch noch eines von mir.«
»Seien Sie sich da nicht so sicher.« Kuttler wiegte den Kopf und blickte auf Frenzel. »Das nette kleine Geständnis wird noch ein wenig auf sich warten lassen.«
Berndorf legte den Kopf zur Seite.
Weitere Kostenlose Bücher