Beifang
weiß ich«, sagte der Mann. »Trotzdem muss ich mit Ihnen sprechen. Mit Ihnen und Ihrem Mann. Es geht um Ihren Sohn.«
»Wissen Sie, wo er ist?«, fragte sie hastig.
»Müssen wir das zwischen Tür und Angel verhandeln?«
»Wo ist er?«
»Im Neuen Bau«, sagte der Mann. »Bei der Polizei. Sie hätte Sie bereits verständigen müssen. Aber bevor Sie dort anrufen, reden Sie mit mir. Sie und Ihr Mann. Darüber, wie Sie Ihrem Sohn helfen können.«
Margarethe sah ihn zögernd an.
»Wer ist denn da?«, rief von hinten ihr Mann. Sie hörte, wie er aufstand und durch den Flur kam.
»Dann kommen Sie eben in Gottes Namen herein«, meinte Margarethe und gab die Türe frei.
»Sie schon wieder«, sagte Wolfgang Freundschuh, als er den Besucher erkannte.
»Er sagt, Lukas sei bei der Polizei«, erklärte seine Frau. »Angeblich will er Lukas helfen.«
»Helfen!«, echote Freundschuh. »Aber bitte...« Er wies zum Wohnzimmer, Berndorf trat ein und setzte sich in den Sessel, der ihm zugewiesen worden war, und stellte die Plastiktüte neben sich. Das Ehepaar Freundschuh hatte auf der Couch ihm gegenüber Platz genommen.
»Hat Lukas sich gestellt?«, fragte Margarethe.
Berndorf wiegte den Kopf. »Das wird man so interpretieren können. Jedenfalls wusste er, dass die Polizei kommt, und ist nicht davongelaufen.«
»Und wo war das?«
»Auf dem Friedhof«, antwortete Berndorf.
»Bitte?« Das kam von beiden Eheleuten wie aus einem Mund.
»Auf dem Friedhof von Blaustein. Am Grab seiner Großeltern.«
»Um Gottes willen!«, entfuhr es Margarethe Freundschuh. »Was hat er da gesucht?«
»Können Sie sich das nicht denken?«, fragte Berndorf zurück. Sie schwieg, und Berndorf wandte sich an Wolfgang Freundschuh. »Ihr Mann auch nicht?«
Wolfgang Freundschuh schüttelte unwillig den Kopf. »Warum soll ausgerechnet ich mir das denken können?«
Berndorf wandte sich zur Seite, nahm die Plastiktüte und holte eine schwarz schimmernde Urne mit einem silbernen Bandmuster heraus. Behutsam stellte er sie auf den gläsernen Couchtisch, trotzdem fielen eine paar Reste angetrockneter Erde auf die Platte.
»Wo haben Sie das her?« Freundschuh war abrupt aufgestanden und beugte sich über die Urne, als wolle er sie überprüfen. Er berührte sie aber nicht.
»Es ist die Urne mit der Asche von Marianne Gaspard, Ihrer Mutter, das sehen Sie doch. Ihr Sohn hat geholfen, sie aus dem Familiengrab zu bergen«, erklärte Berndorf. »Er hat es getan, weil... aber setzen Sie sich doch wieder, ich mag nicht reden, wenn Sie so vor mir stehen.«
Einen Augenblick lang blieb Freundschuh unbewegt stehen, mit gerötetem Gesicht, den Mund zornig geöffnet. Aber es schienen ihm keine Widerworte einzufallen, und so ließ er sich wieder auf der Couch nieder, diesmal etwas von seiner Frau abgerückt.
»Danke«, sagte Berndorf. »Ihr Sohn Lukas hat das getan, weil er sichergehen wollte, dass in der Urne nichts versteckt worden ist …«
»Was soll in einer Urne versteckt werden?«, unterbrach ihn Margarethe Freundschuh. »Das ist doch krank...«
»Ihr Sohn hat das nicht so gesehen«, antwortete Berndorf. »Und Ihr Sohn Lukas ist nicht krank … Wollen Sie vielleicht selbst nachsehen?« Sein Blick ging von Margarethe Freundschuh zu ihrem Mann. »Lukas konnte es nicht mehr selbst, weil dann auch schon die Polizei eintraf. So hat er die Urne mir gegeben. Ich handle also auch in seinem Auftrag, wenn ich Sie bitte, sich zu vergewissern, dass in ihr nichts enthalten ist, was dort nicht hineingehört... Bitte!« Auffordernd schob er die Urne über den Tisch, zu Wolfgang Freundschuh hin.
»Hören Sie«, sagte Freundschuh, »ich weiß nicht, welches Spiel Sie spielen. Das da kann die Urne mit der Asche meiner Mutter sein, jedenfalls haben wir seinerzeit eine in dieser Art ausgesucht. Aber das ist auch alles. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas von dem tun werde, was Sie mir sagen.«
»Es ist Ihr Sohn, der Sie bittet, diese Urne zu überprüfen«, antwortete Berndorf. »Und wenn damit alles in Ordnung ist, also so, wie es sein soll, dann nehmen Sie eine schwere Last von ihm. Dann kann er, anders als bisher, alle Fragen der Polizei geradeheraus und offenherzig beantworten.«
»Das versteht jetzt erst recht niemand«, warf Margarethe Freundschuh ein. »Von welcher Last reden Sie? Warum kann er nicht mit der Polizei reden?«
Berndorf ging nicht darauf ein. »Öffnen Sie die Urne«, schlug er vor, »schauen Sie nach, ob dieser verfluchte Schmuck darin ist,
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