Beifang
zu verdanken haben. Der Beitrag aber, den Eisholm zur Kultur des Strafprozesses und damit zur Rechtssicherheit des einzelnen Bürgers...«
Kuttler, der einige Meter entfernt stand und zuhörte, zog die Augenbrauen ein wenig hoch und warf einen Blick zu Dorpat. Aber der Hauptkommissar schien ganz gebannt vom Anblick der Anwältin mit ihrer schwarzen Mähne und den blitzend wei ßen Zähnen und dem knapp sitzenden dunklen Kostüm.
Ein Hauch Schadenfreude flog Kuttler an. Bei der wirst du nicht landen, dachte er. Niemals.
»... im Übrigen ist es jetzt unsere Aufgabe, die Arbeit von Jürgen Eisholm weiterzuführen. In seinem Geiste. So gut wir das können.« Die Anwältin nickte, der Reporter war es zufrieden, und der Scheinwerfer wurde ausgeschaltet.
Dorpat ging auf Dr. Drautz zu und stellte sich vor. »Wir haben gestern Abend miteinander telefoniert...«, fügte er hinzu. Dann fiel es ihm ein, auch Kuttler vorzustellen. »Mein Mitarbeiter.« Und schließlich bat er um ein kurzes Gespräch. »Nur ein oder zwei Fragen.«
»Bitte«, antwortete die Anwältin und warf einen Blick auf das Fernsehteam. »Vielleicht gehen wir aber doch besser ins Anwaltszimmer.« Sie ging ihnen voraus, mit energischen Schritten, so dass das Klackern ihrer High Heels im Korridor des Gerichtsgebäudes widerhallte. Das Anwaltszimmer war leer. Kuttler trat als Letzter ein und schloss die Tür. Die Anwältin stellte ihre Aktentasche auf einem Tisch ab, blieb aber stehen, und so setzten sich auch die beiden Beamten nicht.
»Also?«
»Wir wollten wissen«, begann Dorpat, »ob Sie uns etwas über die privaten Lebensumstände von Herrn Eisholm sagen können, insbesondere, ob er vielleicht Feinde hatte?«
Kuttler, der sich etwas abseits gehalten hatte, gab sich Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen. Oh, welch ein Meister des Fragens!
Dr. Elaine Drautz sah Dorpat groß, fast staunend an. »Ob er Feinde hatte?«, fragte sie. »Welche Feinde wird Anwalt Eisholm wohl gehabt haben? Er war Strafverteidiger, Spezialist dafür, lausig recherchierte Anklageschriften in ihre nichtssagenden Einzelteile zu zerlegen... Wer, bitte sehr, werden da wohl seine Feinde gewesen sein?« Sie blickte von Dorpat zu Kuttler und sogleich wieder zurück: der eine schien ihr noch weniger Mühe wert zu sein als der andere.
»Verstehen Sie mich recht«, hob Dorpat an, »wir wollen...«
»Ganz ausgezeichnet verstehe ich Sie«, unterbrach ihn die Anwältin. »Sie haben in dem einen Fall lausig gearbeitet, wie Ihnen Eisholm nachgewiesen hat, und wollen deshalb in dem anderen nun lieber gar nichts tun, sondern erwarten in Ihrer pensionsberechtigten Zuversicht, dass ich Ihnen die Arbeit abnehme! Den Teufel werde ich tun!«
»Bitte...«, sagte Dorpat, aber wieder fuhr die Anwältin dazwischen.
»Am liebsten wäre Ihnen vermutlich der Vater eines gemeuchelten Kindes, dessen Mörder von Eisholm freigepaukt worden ist und der nun - der Vater, versteht sich - grässliche Rache am zynisch grinsenden Anwalt übt... Nicht wahr, das würde Ihnen gefallen? Aber den Einfall können Sie allenfalls dem Fernsehen anbieten, für einen Tatort aus der Provinz, mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun...« Sie beugte sich nach vorne und fasste Dorpat ins funkelnde Auge. »Die Wirklichkeit findet hier statt, sie ist gestern noch in diesem Gerichtssaal verhandelt worden, als nämlich Eisholm die selbstverständlichste Bitte vorgetragen hat, die man in einem Mordfall vorbringen kann: nämlich die, auch bitte sämtliche Umstände...«
Kuttler hatte seinen Blick mittlerweile behutsam zum Fenster gewandt. Draußen, in jener Welt, die sich außerhalb des Justizgebäudes erstreckte, war die Sonne dabei, die letzten Nebelbänke aufzulösen. War sie vorfrühlingshaft, diese Sonne, oder
doch eher spätwinterlich? Wenn er am Nachmittag frei nehmen könnte, dann würde er mit Puck und Janina ins Kleine Lautertal fahren und Schiffchen aus Kiefernrinde schnitzen und sie im Fluss schwimmen lassen …
»Zwei Akte hat dieses Drama!« Noch immer redete die Anwältin. »Im ersten Akt, der gestern Nachmittag stattfand, besteht Eisholm darauf, den Mann zu finden, mit dem die Morny zusammen gewesen ist. Richtig oder falsch?« Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab. »Nun der zweite Akt, gestern Abend: Eisholm wird vor den Zug gestoßen. Richtig oder falsch? Also?«
Triumphierend sah sie um sich, so dass Kuttler für dieses Mal auch einen Blick abbekam.
»Moment«, sagte Dorpat, »ob er gestoßen
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