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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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grünblauen, ein wenig hervorstehenden Augen verloren alle Andacht. »Es tut mir leid, Kollege, aber über Ihre Intervention bin ich nicht ganz glücklich.« Er hob die Hand, als wolle er Kuttler einen besonders sinnfälligen Sachverhalt vor Augen führen. »Diese Sache mit den Tabletten, die Sie da entdeckt haben, ist ja nicht ganz unwichtig. Ich hätte gerne gehabt, dass wir das zunächst für uns behalten, zumindest so lange, bis wir wissen, ob das Zeug von einem Arzt verschrieben worden ist und warum.« Dorpats Hand war groß und kräftig, mit kurzen dicken Fingern. »Und ferner hätte ich doch gerne abgewartet, ob dieses Miststück von einer Anwältin von sich aus mit Eisholms Depressionen herausrückt...« Er brach ab, denn Kuttlers Handy hatte zu jaulen begonnen.

    »Tschuldigung«, sagte Kuttler, zog das Gerät heraus und meldete sich. Am Apparat war Polizeihauptmeister Leissle von der Wache im Neuen Bau, dem Sitz der Polizeidirektion: »Da will ein Taxifahrer zu dir. Soll er warten?«
    »Gib ihn mir«, sagte Kuttler.
    Der Mann, der sich dann meldete, hatte seinen Standplatz am Hauptbahnhof und fuhr in der Spätschicht. Vor einer halben Stunde hatte ihn die Zentrale verständigt, dass die Polizei einen Fahrer suche, der einen Koffer befördert habe.
    »Ich bin gestern, ziemlich genau um achtzehn Uhr dreißig, zum Landgericht bestellt worden, für einen Herrn Eisholm. Der kam dann auch, hat mir einen Zwanziger in die Hand gedrückt und gesagt, ich soll seinen Koffer ins ›Vier Jahreszeiten‹ bringen …«
    Kuttler wollte wissen, ob er den Mann beschreiben könne.
    »Nicht mehr der Jüngste«, sagte der Fahrer, »graues Haar, aber eine richtige Mähne, Halbbrille, vorspringende Nase...«
    »Danke«, sagte Kuttler und fügte hinzu, dass er gleich in den Neuen Bau kommen und die Aussage zu Protokoll nehmen werde. Dann schaltete er das Handy aus und erstattete Dorpat Bericht.
    »Und?«, fragte der, »was schließen Sie daraus?«
    »Vorerst lieber nichts«, antwortete Kuttler. Er wandte sich zur Tür, denn dort hatte es geklopft. Nun öffnete sie sich, und der Vorsitzende Richter Michael Veesendonk trat ein. Ohne Talar und herabgestiegen von der Richterbank sah er fast unscheinbar aus, ein schmaler, allenfalls mittelgroßer, höflicher Mann mit knappen beherrschten Bewegungen.
    »Ich bitte, die Störung zu entschuldigen«, sagte er und blickte von Dorpat zu Kuttler, »aber Dr. Drautz sagte mir, dass ich Sie hier finde. Ich habe eine Aussage zu machen.«
    »Sie?«, fragte Dorpat. »Worum geht es denn?«
    »Ich bin vermutlich einer der Letzten, die mit Rechtsanwalt Eisholm gesprochen haben«, sagte Veesendonk. »Er hat mich gestern nach der Verhandlung noch in meinem Büro aufgesucht.«
    Kuttler nickte. Da schau her, dachte er, da hat einer kungeln
wollen! Der ganze Auftritt, den Eisholm vor ihm - Kuttler - inszeniert hatte, war kühl für einen einzigen Zweck bestimmt: einen Deal vorzubereiten.
    »Er wollte Terminfragen klären.« Veesendonk zögerte und blickte zu Kuttler. »Offenbar hat er in eigener Verantwortung Ermittlungen in Auftrag gegeben und hätte deshalb gerne etwas mehr zeitlichen Spielraum gehabt...«
    »Wie hätte das gehen sollen?«, wollte Dorpat wissen.
    »Da gibt es schon Möglichkeiten.« Veesendonk machte eine Handbewegung, als beschreibe er eine sehr ungefähre Größe. »In diesem Fall sind bisher vierzehn Zeugen geladen, dazu drei Gutachter... Ein Vorsitzender Richter hat durchaus eine gewisse Entscheidungsbefugnis, wie viele davon an einem Verhandlungstag angehört werden.«
    »Und? Haben Sie sich mit ihm einigen können?«
    »Ich muss gestehen, dass ich sehr zurückhaltend reagiert habe«, antwortete Veesendonk. »Ich habe ihm erklärt, dass er dann eben entsprechende Beweisanträge stellen müsse. Einem erfahrenen Juristen sagt man so etwas eigentlich nicht - denn das weiß er wirklich selbst.«
    »Ich verstehe«, sagte Dorpat. »Aber wie hat Eisholm es aufgenommen?«
    Veesendonk stieß ein Geräusch aus, das entfernt an ein Lachen erinnerte.
    »Er sagte: ›Dann eben nicht.‹ Das war’s dann auch schon.«
    Kuttler räusperte sich. »Wie hat er auf Sie gewirkt? Vielleicht anders als in der Verhandlung? War er erschöpft?«
    Veesendonk sah ihn aufmerksam an. »Sie sprechen da einen interessanten Punkt an. Ich kenne Eisholm seit langem und weiß, dass seine Gemütslage sehr rasch wechseln konnte. Allerdings hat sich das nie während einer Verhandlung gezeigt. Sobald er in den Talar

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