Beifang
traurige Geschichte passiert ist, habe ich einen eigenen Ordner mit den Aufnahmen von damals angelegt.« Er sah Berndorf prüfend an. »Sie kommen mit dem Gerät klar? Sie brauchen das einzelne Bild nur anzuklicken, dann haben Sie es in der Vergrößerung.«
Der Fotograf kehrte zu seinem eigentlichen Platz zurück und wandte sich wieder der Arbeit zu, bei der ihn der Besucher unterbrochen hatte: Er war dabei gewesen, eine Aufnahme zu bearbeiten, die ein Bahngleis und darüber den Bahnsteig zeigte - den Tatort im Fall Eisholm also.
Berndorf ließ sich auf dem Drehstuhl vor dem zweiten Monitor nieder. Die Bilder, die er nacheinander aufrief, waren fast ausschließlich Ballszenen, zumeist nur dieses eine Paar beim Tanz, er blond und athletisch und selbst seiner Bundeswehruniform Eleganz abgewinnend, sie blond und zart, beide wirkten selbstbewusst, geradezu strahlend.
»Ein hübsches Paar, nicht wahr?«, bemerkte nebenan der Fotograf.
»Und nach dem Ball?«, wollte Berndorf wissen.
»Wer weiß das schon!«, meinte der Fotograf und hellte das Foto vom Bahnsteig um ein Unmerkliches auf, so dass die Kreidemarkierungen besser sichtbar wurden, mit denen die Polizei den Fundort der Leiche festgehalten hatte. »So gut kannte ich ihn wirklich nicht. Wenn wir mal miteinander gesprochen haben, dann immer nur übers Laufen. Über Schuhe und wo es eine gute Route gibt.«
Berndorf hatte das Foto entdeckt, von dem er den Abzug besaß. »Sie haben ihm nur diese eine Aufnahme geschickt?«, fragte er. »Warum?« Er hatte es angeklickt, und auf seinem Bildschirm erschien groß Fiona, die Puderdose mit dem aufgeklappten Spiegel in der Hand.
»Fotos von glücklichen Paaren gibt es doch genug. Hundert Mal soviel wie Scheidungsanwälte. Und mehr als ein Bild verschenk ich nicht.« Der Fotograf lachte. »Da meinen die Leute nur, ich hätte sonst nichts anderes zu tun.«
»Aber warum gerade das hier?«
»Weil es das beste war. Da ist Fiona... wie soll ich sagen? Da ist sie ohne Maske.«
»Wirklich?«, fragte Berndorf. »Hat sie nicht doch von Anfang an gewusst, dass sie fotografiert wird?«
Er hatte das nächste Bild aufgerufen, diesmal sah Fiona direkt in die Kamera und streckte die Zunge heraus.
Der Fotograf, der gerade das Foto vom Bahnsteig zur weiteren Verarbeitung freigegeben hatte, zuckte mit den Achseln. »Mir kam es so vor, als sei sie ganz in den Spiegel vertieft gewesen.« Er lachte. »Frauen dürfen das.«
Berndorf sagte nichts. Er hatte ein weiteres Bild angeklickt, eine Szene an einem weiß gedeckten Tisch mit einem Sektkühler und den Gläsern dazu, dahinter zwei Frauen, Fiona und eine Dunkelhaarige, die die Köpfe zusammensteckten, und die Dunkelhaarige hielt den Ring, den Fiona an ihrer Kette trug, in der Hand und betrachtete ihn.
»Könnten Sie mir hier einen Ausschnitt herausholen und vergrößern?«
Der Fotograf stand auf und kam zu Berndorf.
»Diesen Ring hier, den die dunkelhaarige Frau in der Hand hält …«
Berndorf stand auf, und der Fotograf setzte sich auf seinen Stuhl. Auf dem Bildschirm trat die Hand der Dunkelhaarigen hervor und wurde größer und immer größer, und ebenso der goldene Ring darin mit dem umlaufenden Relief.
»Da sind Figuren drauf«, sagte der Fotograf, »zwei Gestalten, und dahinter ist ein Baum...« Er korrigierte die Helligkeit und ging noch etwas näher heran: »Was treiben die da?«
Die beiden Gestalten waren Mann und Frau, und der Mann hielt die Hand ausgestreckt, um zu nehmen, was die Frau ihm reichte, und die Körper und die Gliedmaßen waren so gearbeitet, als seien sie nackt. Aber trotzdem hielt keines der beiden die Hand schützend vor das Geschlecht.
»Das sind Adam und Eva. Beim Sündenfall«, sagte Berndorf. »Machen Sie mir einen Abzug davon?«
Staatsanwalt Desarts hatte sich schweigend angehört, was die beiden Kommissare Dorpat und Kuttler ihm vortrugen. Statt einer Antwort hob er einladend den Deckel der Bonbonniere, die seit vielen Jahren ganz selbstverständlich mitten auf Desarts’ Besuchertisch stand.
»Da will ich nicht nein sagen«, meinte Dorpat, suchte sich ein Karamellbonbon aus und warf einen strafenden Blick zu Kuttler, der dankend abgelehnt hatte.
»Da haben Sie eine gute Wahl getroffen«, lobte Desarts. »Es ist
ein ganz vorzügliches Karamell, müssen Sie wissen. Die Confiserie, aus der ich es habe, macht es selbst, und Sie können ganz unbesorgt sein: Niemals bleibt es an den Zähnen kleben... Ich selber muss leider auf meinen
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