Beifang
mit dem VfB Stuttgart verbunden waren und an jenem Donnerstag vielleicht einen Grund gehabt haben mochten, in Stuttgart zu feiern und die Feierstunde dann in ganz privater, ganz intimer Weise fortzusetzen...
Was er auf diese Weise erfuhr, waren aber hauptsächlich die
Glückwünsche des Landesvorstands zur Deutschen Meisterschaft und eine Pressemitteilung des Inhalts, die Stuttgarter Mannschaft habe mit ihrer bravourösen Leistung ein weiteres Mal gezeigt, dass »unser Bundesland Spitze ist!«. Weitere Beiträge beschäftigten sich mit dem Umstand, dass die Neckarwerke VIP-Tickets für die Spiele des Bundesligisten an Mitglieder der Landesregierung verschenkt hatten; der Landesvorstand der Staatspartei vertrat hierzu die Ansicht, es handle sich selbstverständlich um keine Bestechung der betreffenden Minister, denn zu deren Dienstobliegenheiten gehöre es, die Landesregierung auch in den VIP-Lounges zu repräsentieren …
Berndorf schüttelte den Kopf: Fußball! Was sollte Fiona mit einem VfB-Fan am Hut haben? Überhaupt wird donnerstags in der Bundesliga gar nicht gespielt. So blieb ihm nichts anderes übrig, als das Portal der Staatspartei aufzurufen und sich zu den Mitgliedern des Landesvorstands durchzuklicken. Es waren sechzehn, von denen er allerdings fünf aussortierte, denn es handelte sich um Frauen. Bei zwei über siebzigjährigen Herren zögerte er kurz, entschied dann aber, sicherheitshalber keinen Ausschließungsgrund anzunehmen.
Blieben elf Namen. Also brauchte er ein zweites Raster. Versuchsweise gab er den Suchbegriff »Neckarwerke« ein, und ein paar Eingaben später hatte Berndorf auf dem Bildschirm die Liste jener Aufsichtsräte, die am zehnten Mai vergangenen Jahres über den nicht zuletzt der VIP-Tickets wegen in Turbulenzen geratenen Vorstandsvorsitzenden zu befinden hatten...
Und sonst?«, fragte Puck und kuschelte sich an Kuttlers Seite.
»Und sonst bin ich mal wieder der Hanswurst«, antwortete er. »Der, den man herumschickt und sinnlos fragen lässt.« Genau so war es. Selbst der Alte hatte ihn nur ausgehorcht und reden lassen. »Ein Dummkopf eben.«
»Macht nichts«, meinte Puck. »Dumm fickt gut.«
Kuttler beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund, dessen Lippen warm waren und weich und voll, und trotzdem
fiel der Kuss ein wenig flüchtig aus. Er war woanders mit den Gedanken! Mit Tamar wäre der Alte nicht so umgesprungen. Aber Tamar war wer weiß wo! Nein, nicht wer weiß wo: Sie war in Freiburg und studierte Irgendwas und Philosophie und jobbte als Kaufhausdetektivin. Eine Aufseherin des Konsumkapitalismus, ha!
»Was drückt dich denn?«
»Dieser Alte. Berndorf«, antwortete er. »Er lässt mich reden und tut so, als ob er mir zuhört, und plötzlich dreht er sich um und studiert den Zugfahrplan, als sei ihm der Seifensieder aufgegangen.«
»Und was war das, was du ihm gesagt hast?«
»Weiß ich nicht mehr.« Kuttler zuckte die Achseln. »Dass der Staatsanwalt Desarts keine weiteren Ermittlungen will … nein, das war es nicht. Moment.« Ruckartig setzte er sich auf. »Wo haben wir ein Telefonbuch?«
»Unten im Flur«, sagte Puck, zog die Decke zu sich her und rollte sich darin ein. Sie schlafe jetzt erst einmal eine Runde, teilte sie noch mit, und im Kühlschrank gebe es noch Bier.
Kuttler stand auf, und während er in seine Pyjamahosen schlüpfte, fiel ihm ein, dass das Telefonbuch vermutlich ganz und gar unnütz war. Richter stehen üblicherweise nicht im Telefonbuch - damit sie nicht belästigt, nicht beschimpft und nicht bedroht werden können.
Also würde er’s im Internet versuchen. Er warf einen Blick ins Kinderzimmer, Janina schlief tief und fest, hatte aber die halbe Decke weggestrampelt. Er deckte sie wieder zu, ging hinunter in die Küche und holte sich die Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Sie war beschlagen, verführerisch bildeten sich Tropfen und liefen an der Flasche hinunter, aber nein! Den ersten Schluck würde es erst geben, wenn er eine Idee hatte.
Der PC stand auf dem Arbeitstisch im Wohnzimmer, es war eigentlich gar kein Tisch, sondern eine Holzplatte auf zwei Böcken, aber für seine und Pucks Schreibarbeiten reichte es aus. Er stellte die Bierflasche ab - auf den Katalog eines Buchversandes, damit es auf der Holzplatte keine Flecken gab - und
schaltete den Computer ein. Während sich die Benutzeroberfläche aufbaute, rief er sich noch einmal die Szene auf dem Bahnsteig in Erinnerung. Berndorf hatte sich plötzlich zu dem
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