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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Dusche. Die Beine ausstrecken. Kein Fernsehen. Also alles, was an Glück an einem solchen Abend möglich ist.
    Er stieß die Tür zum Hotel auf und wartete an der Rezeption, bis die misstrauische Osteuropäerin erschien und diesmal sogar ein Lächeln für ihn übrig hatte.
    »Guten Abend, Herr Berndorf«, sagte sie, »Ihre Frau ist schon in Ihrem Zimmer.«

Freitag, 15. Februar

    So isst man kein halbweiches Ei«, erklärte Elaine mit einem kurzen missbilligenden Blick auf Berndorfs Teller. »Man pult es nicht auf, sondern man köpft es.« Sie griff sich das Messer und schlug dem Ei, das sie vor sich stehen hatte, mit einer präzisen, aus dem Handgelenk heraus geführten Bewegung das obere Ende ab. »So!«
    »Das kann ich nicht«, sagte Berndorf. »Es erinnert mich an den Türken gestern im Internet-Café.«
    »Versteh ich nicht. Wieso isst einer im Internet-Café Eier?«
    »Keine Eier. Er hat Ungeheuer geköpft. Oder Ungläubige.« Berndorf deutete einen Handkantenschlag an. »Und er war erst zufrieden, wenn die Köpfe so richtig mit Effet wegflogen.«
    »Ich fürchte«, sagte Elaine und begann, das Ei auszulöffeln, »die wirklich elegante Welt wird dir auf ewig verschlossen bleiben. Weißt du, was das bedeutet?«
    »Sag es mir.«
    »Niemals werde ich mit dir nach Salzburg fahren können.« Sie warf einen schmerzensvollen Blick zur Balkendecke des Frühstückszimmers. »Oder auf den Hügel.«
    »Ich kann Wagner nicht leiden«, meinte Berndorf kauend.
    »Natürlich nicht! Aber mit vollem Mund sprechen! Und wie wollen wir bei diesem eklatanten Mangel an Lebensart so hochgestellten Persönlichkeiten wie dem Herrn Landrat Kröttle vor Augen treten?«
    »Dafür wird es schon noch reichen«, meinte Berndorf, holte aus der Brustinnentasche seines Sakkos einen Zettel und faltete ihn auf. »Franz Albrecht Kröttle spricht am kommenden Sonntag im ›Rössle‹ in Waldglasterhausen auf einem politischen Frühschoppen des Ortsvereins der Staatspartei. Beginn: zehn
Uhr, Gäste sind herzlich eingeladen. Steht im Hotzenwald-Boten und also auch im Netz.«
    »Müssten wir zuvor nicht noch ein bisschen mehr wissen?«
    »Müssten?«, fragte Berndorf zurück. »Die Wege, die wir gehen müssten, sind alle zugestellt.«
    »Also nimmt der tapfere Held seinen Weg querfeldein«, sagte Elaine. »Nett. Und was macht das kleine dumme Weibchen derweil?«
    »Kümmert sich um ihr Autochen. Wann kriegst du es wieder?«
    Elaine zuckte mit den Schultern. »Montagabend. Oder auch nicht. Offenbar müssen da erst irgendwelche Teile eingeflogen werden.« Sie griff nach der Teetasse, trank aber nicht. »Merkwürdig. Soviel ich weiß, habe ich mich noch nie -, nie-niemals um ein Auto kümmern müssen. Immer war das der Job der Typen, nicht der meine. So fängt es an...« Vorsichtig nahm sie einen Schluck.
    »So fängt was an?«
    »Das Alter.«
    Berndorf beschloss, nichts zu sagen.
    »Du schweigst«, bemerkte Elaine. »Dieses heuchlerische Schweigen der Männer! Aber egal... Was haben wir heute vor?«
    »Willst du der trauernden Witwe eigentlich keinen Beileidsbesuch abstatten? Sie würde sich...«, fragte Berndorf hinterhältig. »Ist was?«
    Elaine hatte sich vorgebeugt, das Messer in der erhobenen Hand, und starrte ihn aus flammenden Augen an.
    »Dieses Messer da«, sagte Berndorf, »ist für Menschenköpfe weniger geeignet... Soll ich nach der Bedienung rufen und um ein Tranchiermesser bitten?«
    »Seit ein paar Stunden ist das dein erster vernünftiger Vorschlag«, bemerkte sie und ließ das Messer sinken. »Aber warum sollen wir diese Frau besuchen? Sie ist nur grauenvoll.« Sie sah sich um, aber es war schon fast neun Uhr, und sie waren die letzten Gäste im Frühstücksraum. »Du wirst nichts von ihr über
Eisholm erfahren. Nichts außer Lügen, Verdächtigungen und endlosen Vorwürfen.«
    »Das mag schon sein«, sagte er und begann, sich ein Butterbrot zu schmieren. »Trotzdem muss jemand mit ihr reden, also vermutlich ich.« Er sah sie an, das Butterbrot in der Hand. »Sofern es zwischen diesen beiden Fällen Morny und Eisholm irgendeinen Zusammenhang gibt...«
    »Natürlich gibt es den«, unterbrach ihn Elaine. »Er ist umgebracht worden, weil seine Verteidigungsstrategie aus irgendeinem Grund irgendjemandem zu aggressiv gewesen ist. Punkt.«
    Berndorf, noch immer das Brot in der Hand, schüttelte den Kopf. »So empfindlich ist man hier nun auch wieder nicht. Und die Wahrheit ist vertrackt, immer und überall. Wenn es ein Bindeglied gibt - dann

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