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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Fahrplanaushang gewandt, und zwar noch bevor er - die schiere Ablenkung! - von dem Haus der Mornys zu reden begonnen hatte.
    Und was will man wissen, wenn man auf den Fahrplan schaut? Wann ein Zug wohin fährt. Richtig. Wozu also brauchte er jetzt noch eine Idee? Zwar mag es sein, dass Richter nicht im Telefonbuch stehen. Aber sogar sie haben ein Privatleben und spielen Tennis in der Zweiten Seniorenmannschaft oder gehören dem Kirchengemeinderat an oder dem Kuratorium der Volkshochschule …
    Die Maske der Suchmaschine erschien, Kuttler gab den Namen ein: »Michael Veesendonk«, öffnete jetzt endlich seine Flasche Bier und nahm einen tiefen erquickenden Schluck.
    Auf dem Bildschirm erschien eine Liste mit Nennungen. Er rief die erste auf:
     
    ... Mit einem kühnen Turmopfer setzte Michael Veesendonk am dritten Brett seinen Gegenspieler überraschend matt und holte so den entscheidenden Punkt beim 4,5:3,5-Sieg von Capablanca Blaubeuren gegen den Schachklub Ehingen ...
     
    Blaubeuren, dachte Kuttler, und nahm einen zweiten Schluck.
    Ja doch. Abfahrt 19.26 Uhr, Gleis 6.
     
     
     
    Wieder säbelte der Türke ein Ungeheuer, vielleicht war’s auch ein Ungläubiger, und der Afrikaner knüpfte weiß Gott welche neuen E-Mail-Verbindungen, und so hatten beide zu tun. Nur Berndorf saß zurückgelehnt und betrachtete, was er sich notiert hatte.
    Von den sechzehn Vorstandsmitgliedern der Staatspartei gehörten drei zugleich dem Aufsichtsrat der Neckarwerke an, und manches, was er gehört oder gelesen hatte, brauchte ihn so
nicht mehr zu wundern. Das heißt, gewundert hatte es ihn auch vorher nicht, er hatte es nicht anders erwartet, aber das hat mit dieser Geschichte nichts zu tun, ermahnte er sich.
    Zusammengetreten war der Aufsichtsrat der Neckarwerke am Donnerstag, dem zehnten Mai. Wenn die Zeitung es richtig wiedergegeben hatte, war im Lauf des Nachmittags ein Communiqué herausgegeben worden, wonach eine Entscheidung über den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden sollte. Das war nun nicht gerade ein direktes Vertrauensvotum gewesen, aber auch das beschäftigte Berndorf nicht weiter. Ihn beschäftigte, wer von den drei Herren denn wohl für die Nacht zum Freitag ein Hotelzimmer gebucht haben könnte. Was heißt hier Zimmer! Eine Suite wird es gewesen sein, in der ihn spät am Abend der Ministerpräsident aus welcher Beschäftigung auch immer herausgeklingelt hatte.
    Der Erste war Landrat des Kreises Esslingen. Wenn der Esslinger Landrat sich in der Landeshauptstadt in einem Hotel einmietet, weil er angeblich am Abend die fünfundzwanzig Kilometer nicht mehr nach Hause zurückfahren kann, dann wird er ein Problem mit seiner Ehefrau bekommen. Hat er aber keine Ehefrau und siedelt überhaupt nicht auf diesem Ufer, kam er ohnehin nicht in Betracht.
    Ähnliches galt für Nummer zwei: Der Wirtschaftsdezernent der Stadt Stuttgart konnte als solcher ganz einfach keinen Grund haben, sich in einem Hotel einzumieten - es sei denn, die Ehefrau hatte ihn hinausgeworfen -, und wenn er denn auswärts eine Liebschaft hatte, so wird er diese nicht nach Stuttgart haben kommen lassen.
    Wer blieb? Wer gut zweihundert Kilometer zu fahren gehabt hätte. Berndorf gab den Namen ein, und auf dem Bildschirm baute sich das Portrait eines für die örtlichen Verhältnisse gut aussehenden Mannes auf: gewelltes Haar, kräftige Kiefer, vorspringende Nase, Grübchen im Kinn, Hornbrille.
    Die Daten: Franz Albrecht Kröttle. 46 Jahre. Abitur in St. Blasien. Jurastudium in Würzburg und Freiburg, stellvertretender Landesvorsitzender des Rings Junger Staatsbürger, nach Zweitem
Staatsexamen Grundsatzabteilung im Staatsministerium, später Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium, Wahl in den Landesvorstand, mit 41 Wahl zum Landrat des Landkreises Hochrhein-Hotzenwald, verheiratet mit Agnes Pia (39), bisher vier Kinder, Ritter des Ordens zum Heiligen Grab …
    »Scheiße«, sagte der Türke, und auf seinem Bildschirm plusterte sich das Bild einer Explosionswolke. Offenbar war einer der virtuellen Ungläubigen schneller gewesen. Berndorf schaltete seinen Computer aus, erhob sich, lächelte seinen beiden Nebenleuten zu - die davon keine Notiz nahmen - und verließ das Internet-Café. Draußen war es nasskalt und windig, er zog den Hut fester und schlug den Mantelkragen hoch, nach ein paar Schritten war er in der Gasse, die zu seinem Hotel führte, wohin sonst?
    Was wartete auf ihn? Ein Ferngespräch. Eine

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