Beifang
schlug den Weg zurück ein. Es war dunkel geworden, er war müde, und die Einsicht, dass er und die Polizei überhaupt viel gründlicher nach jener verfluchten Kette hätten suchen müssen, munterte ihn nicht auf. Das Ausflugslokal kam in Sicht und verschwand wieder, vor sich sah er die Bäume auf dem Wall und dahinter die Lichtglocke der Stadt. Merkwürdig spitzgieblig stand unter den Bäumen das gemauerte Gartenhäuschen, in dessen gesprungenen Fensterscheiben sich rötliches Licht spiegelte...
Rötliches Licht?, dachte Kuttler und sah sich um. Hinter ihm war nachtfinstere Dunkelheit.
Der zweite Gang - Tournedos mit Spargel - kam, als Ruzkow und Steinbronner gerade dabei waren, über den zweitschlimmsten Fehler der Amerikaner bei ihrer Invasion in den Irak zu diskutieren (der schlimmste war gewesen, darin waren sich beide einig, dort überhaupt einzumarschieren).
»Natürlich war es kein Fehler, Saddam aufzuhängen, ich bitte Sie!«, sagte Ruzkow und beschrieb mit der Hand ein Herunterfallen und plötzliches Abstoppen. »Aber Saddams Schweinehunde hätten sie in ihr Zelt holen müssen...«
Elaine Drautz unterdrückte ein Gähnen.
»Jelena, Schatz, wir langweilen dich«, entschuldigte sich Ruzkow, doch Elaine widersprach.
»Das tut ihr keineswegs - als Anwältin interessieren mich Schweinehunde schon von Berufs wegen. Nur ist es meistens nicht eine Frage des Charakters, sondern der Perspektive, wer ein Schweinehund ist und wer nicht. Was halten Sie, lieber Herr Steinbronner, beispielsweise von einem Polizeibeamten, der - aus politischer Rücksichtnahme, aus eigenem Gutdünken, was weiß ich - einem Gericht wichtiges Beweismaterial vorenthält?«
Steinbronner beugte sich über seine Tournedos. »Was wichtiges Beweismaterial ist und was nicht, das kann, gnädige Frau, ebenfalls eine Frage der Perspektive sein...«
»Einer Perspektive, deren Wahl allerdings in die Zuständigkeit des Gerichts fällt oder fallen sollte!«, unterbrach ihn Elaine.
»Es wäre nicht höflich, Ihnen zu widersprechen«, meinte Steinbronner, »auch wenn ich Sie auf andere Rechtssysteme verweisen könnte, in denen die Ermittlungsbehörden selbst entscheiden können, was ihnen als Beweismaterial ausreichend erscheint.« Er schnitt sich ein Stück Fleisch ab und fing an zu kauen.
»Ein sehr starkes Argument«, lobte Elaine und nahm mit der
Gabel eine Spargelspitze auf. »Nur haben die Verteidiger in diesen Rechtssystemen eine ganz andere Stellung als unsereins. Sie könnten jenen Polizisten - um bei unserem Beispiel zu bleiben - aus eigenem Recht als Zeugen vorladen, und dieser hätte dann ganz einfach in drei Wochen vor der Ulmer Schwurgerichtskammer anzutreten und zu erzählen, was er warum für sich behalten hat. Alles andere wäre Missachtung des Gerichts, und wir könnten ihn zack!« - entschlossen stieß sie die Gabel in das Tournedo - »einsperren lassen, bis er schwarz wird.«
»Jelena, Schatz, ich weiß nicht«, wandte Ruzkow ein, »in diesen Ländern, von denen du sprichst, werden - glaube ich - nicht viele Polizisten eingesperrt, eigentlich überhaupt keine. Polizisten sind nicht dafür gemacht, eingesperrt zu werden.«
»Natürlich übertreibe ich«, räumte Elaine ein und schnitt sich ein sehr kleines Stück Fleisch ab, »es ist auch nicht so, dass die Strafverteidiger hierzulande ganz wehrlos wären. Was halten Sie, verehrter Herr Steinbronner, zum Beispiel von einem Beweisantrag, den Herrn Landrat X und den Herrn Polizeibeamten Y vorzuladen und sie zu befragen, ob Fiona Morny dieses Hotel hier lebend verlassen hat oder ob vielmehr nicht doch der Herr Polizeibeamte dem Herrn Landrat behilflich war, die Leiche nach Ulm zu bringen und sie dort irgendwo abzulegen?«
»Ein solcher...« -Steinbronner kaute noch und musste jetzt ein zu großes Stück Fleisch hinunterwürgen. »...ein solcher Beweisantrag müsste als nicht sachdienlich verworfen werden, nicht wahr? Als schiere Unterstellung...« Er nahm einen Schluck Mineralwasser, um dem Bissen Fleisch nachzuspülen. »Im Übrigen ist alles dokumentiert, bis hin zu einer Video-Aufzeichnung aus der Überwachungskamera eines Degerlocher Parkhauses, auf der Aufzeichnung ist zu sehen, wie die Morny an jenem Tag um zweiundzwanzig Uhr neunundzwanzig allein und durchaus lebendig in ihr kleines französisches Auto mit Ulmer Kennzeichen steigt...
Aber ich sollte hier nicht aus vertraulichen Akten vortragen...« - entschuldigend wies er auf Ruzkow - »... wir
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