Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
vergleichen.«
    »Da hat es ihm unser Kollege aber leicht gemacht«, meinte Kuttler.
    »Sag ich doch«, kam die Antwort.
    »Und ihr glaubt jetzt, das ist der...?« Er warf einen Blick auf
das Datum des Berichts. »Das ist noch keine zwei Jahre her. Wieso ist der Kollege schon wieder draußen?«
    »Erstens ist er kein Kollege mehr«, antwortete Wilma Rohm, »zweitens weißt du doch, wie das geht, wenn einer die richtigen Leute kennt. Ich mach mir da schon lange keine Illusionen mehr.«
    Kuttler sah sie an. Wie alt war Wilma? Neunundzwanzig? Dreißig? Und wie lange im Polizeidienst? Egal.
    Die Tür öffnete sich, und der kleine Hummayer kam herein. »Bingo«, sagte er und grüßte Kuttler mit Handzeichen, »Günter Sawatzke ist abgängig. Wir suchen ihn jetzt mit internationalem Haftbefehl.«
    Sawatzke, Günter. Von mir aus, dachte Kuttler. Einer muss das Karnickel sein. Reg dich nicht auf.
     
     
     
    Kriminaldirektor Steinbronner traf nach dem Hors-d’œuvre ein und entschuldigte sich - nachdem er Dr. Elaine Drautz mit einem angedeuteten Handkuss und Gennadij Ruzkow mit kräftigem Händedruck begrüßt hatte - für seine Verspätung: Er habe noch Innenminister Schlauff angerufen.
    »Es wird Sie interessieren zu hören«, sagte er zu Elaine und sah sie über seine Halbbrille hinweg bedeutungsvoll an, »dass der Minister mir carte blanche gegeben hat. Das bedeutet, wir können über alles reden.«
    Elaine betrachtete ihn aufmerksam, aber ein wenig reserviert. Steinbronner war ein mittelgroßer, kräftiger Mann mit einem weißen Strahlenkranz von Haaren um den geröteten Schädel und einem Kopf, der fast ansatzlos aus dem gedrungenen Rumpf herauswuchs. Der Name Schlauff sagte ihr überhaupt nichts, sie war Münchnerin, und von der baden-württembergischen Landesregierung war ihr nur jener Ministerpräsident ein Begriff, der noch schneller reden konnte, als er gar nichts dachte.
    Elaine hatte ein sehr einfaches Essen bestellt, wie sie fand, als ersten Gang gab es Filets der Schwarzwaldforelle an Bärlauch-Mousse,
und Steinbronner schloss sich gerne an. Hingegen verschmähte er den Chablis, sondern wollte Mineralwasser.
    »So angenehm mir Ihre Gesellschaft ist«, erklärte er höflich, »so kann es doch sein, dass ich heute Abend noch einmal zurück an den Schreibtisch muss.«
    In deutschen Behörden sei der Begriff Feierabend offenbar unbekannt, bemerkte Ruzkow. »Früher hatte ich mir das auch immer so vorgestellt.« Nur in der DDR sei das ein klein wenig anders gewesen.
    Steinbronner erkundigte sich nach Ruzkows Tätigkeit in der DDR, und Ruzkow erklärte, er sei Major gewesen, bei einer Sondereinheit - »ein bisschen war ich ein Kollege von Ihnen«.
    »Das ist gut zu wissen«, sagte Steinbronner. »Unter Leuten vom Fach werden viele Dinge einfacher. In einem Punkt allerdings irren Sie, leider - der Arbeitseifer in deutschen Behörden hält sich äußerst in Grenzen, man kann sogar sagen, nichts sei den Deutschen heiliger als der Feierabend.«
    »Da sind Sie also ein weißer Rabe?«, fragte Elaine.
    »Nicht unbedingt«, antwortete Steinbronner.
    »Darf ich Sie so verstehen«, hakte Elaine nach, »dass aus unserem Gespräch umgehend dienstliche Konsequenzen gezogen werden?«
    Die Forellen kamen, und Steinbronner wartete, bis serviert war.
    »Wir müssen unsere Unterhaltung nicht vorab belasten«, sagte er, als sie wieder allein waren, und steckte sich die Serviette ins Hemd. »Es gibt keinen Grund dazu.« Er wandte sich an Ruzkow. »Ich weiß übrigens aus erster Hand, dass unsere Landesregierung den Gesprächen mit dem Energiekonsortium der Föderation außerordentliche Bedeutung beimisst, ganz außerordentliche Bedeutung...«
     
     
     
    Veesendonk saß am Tisch, beide Hände neben dem Schachbrett, in entspannter Haltung, auch wenn er den Kopf ein wenig schief hielt, als gelte sein Interesse doch ein wenig mehr den
weißen Bauern - seinen Bauern! -, die auf dem Damenflügel vorgerückt waren. Wer ihn so sah, musste annehmen, die Partie sei bereits entschieden, sei gleich mit den ersten Zügen entschieden worden, und der Richter verfolge nur noch den Ablauf eines längst in Gang gesetzten Uhrwerks.
    Berndorf zog ein wenig die Augenbrauen hoch, er erkannte, dass die schwarze Stellung - seine Stellung! - deutlich schwächer war, aber er hätte nicht zu sagen gewusst, wie es dazu gekommen war. Früher, als er selbst noch in einem Club spielte, war er zuweilen auch auf Veesendonk getroffen; außer zwei oder drei

Weitere Kostenlose Bücher