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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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her.«
    »Wie ist es nun mit der üblen Nachrede, zu der Sie mich verleiten wollten?«, fuhr der Richter fort, als er die beiden Gläser wieder gefüllt hatte. »Sie haben mich im Visier, und zwar wegen des Todes von Eisholm. Und nach Vren haben Sie mich deshalb gefragt, weil Vren mich am Ende einer Urlaubsreise verließ, die wir gemeinsam mit Eisholm und seiner damaligen Frau Gabriele unternommen haben. Das wissen Sie, von wem auch immer, und folglich werden Sie vermuten, Vren habe mich Eisholms wegen verlassen, oder dieser sei zumindest schuld daran, dass sie es getan hat...«
    Er unterbrach sich, denn von den Tischen, an denen noch gespielt wurde, drang ein Raunen her. Offenbar hatte der Favorit des improvisierten Blitzschachturniers, ein magerer Mensch mit Strickweste und Selbstbinder, unerwartet wegen Zeitüberschreitung verloren.

    »Was Ihnen aber ewig rätselhaft sein wird - Prost, mein Lieber! -, ist vermutlich der Umstand, dass ich Vren überhaupt einen gemeinsamen Urlaub mit Eisholm und dessen Gabriele zugemutet habe, welche weder das reizvollste noch das angenehmste Geschöpft auf Gottes Erdboden gewesen ist... Wo war ich stehen geblieben?« Er füllte die beiden Gläser wieder auf. »Richtig. Wie immer ist es die Frage: Warum? Um Ihnen eine Antwort zu geben, muss ich etwas ausholen.«
    Er legte die Arme übereinander auf den Tisch, so dass er jetzt etwas nach vorne gebeugt saß. »Ich war damals ganz sicher, dass Vren und ich zusammengehören. Selbstverständlich würden wir heiraten, selbstverständlich würden wir Kinder haben, und unsere Ehe würde ein gemeinsames Projekt verantwortlicher, sinnvoller, freier und doch auch pflichtbewusster Lebensgestaltung sein.« Er betrachtete das Stamperl mit dem Obstschnaps, zuckte mit den Schultern, hob das Glas und kippte es. Dann wollte er sich nachgießen, ließ es aber bleiben, als er sah, dass Berndorf diesmal nicht mitgetrunken hatte.
    »Zu diesem gemeinsamen Projekt gehörte es, dass wir auch Freunde haben würden, dass wir mit diesen Freunden klug und verständnisvoll umgehen und dass wir ihren kleinen Macken und Eigenheiten mit souveräner Gelassenheit begegnen würden... Ich war ganz sicher, dass Vren es genauso sah.«
    Nun schenkte er sich doch nach und hob das Glas. »Diesmal müssen Sie aber mitziehen, wenn Sie noch etwas von mir erzählt bekommen wollen.«
    Berndorf tat ihm, etwas widerwillig, den Gefallen.
    »Nun werden Sie bereits bemerkt haben, dass der allergrößte Esel in dieser Geschichte Ihnen hier gegenübersitzt«, fuhr der Richter fort, und ließ vorerst das Glas leer vor sich stehen. »Aber das hat nichts mit dem zu tun, was Sie jetzt vielleicht denken mögen - nichts mit den Eisholms und nichts mit den Verführungskünsten des nachmaligen Starverteidigers. Vren fand ihn nicht witzig, sondern bloß geschwätzig, sie hielt ihn - vermutlich nicht ganz zu Unrecht - für einen Blender, ich erinnere mich noch, wie sie irgendwo zwischen Tarascon und Montpellier
über das Privatleben von Sartre und der Beauvoir stritten und wie Vren das, was Eisholm darüber und über den Feminismus zu wissen glaubte, als stammtischbürgerliches Vorurteil zerpflückte. Und was tat ich? Ich saß nur daneben, das werden Sie merkwürdig finden oder auch nicht, aber bei den Streitereien zwischen Vren und Eisholm ging es immer nur um Themen, die für mich keine Bedeutung hatten...«
    Er warf einen Blick auf Berndorf, der - die Ellbogen aufgestützt und die Hände vor dem Kinn verschränkt - nur dasaß und zuhörte und wartete und auch nicht nachfragte, was denn dann Bedeutung für Veesendonk gehabt habe.
    »Heute glaube ich, dass Vren schon vor unserem Urlaub Zweifel gekommen sein müssen«, fuhr der Richter schließlich fort. »Nicht, dass sich das irgendwie für mich angedeutet hätte. Sie war... nun ja, sie war sehr leidenschaftlich, und das blieb - wie mir schien - bis zum Schluss so. Aber rückblickend glaube ich, dass sie diesen gemeinsamen Urlaub in gewissem Sinn ebenfalls als einen Testlauf betrachtete. Aber nicht im Hinblick darauf, wie wir uns im bürgerlichen Leben zurechtfinden würden. Sondern als Test, ob sie sich diese Bürgerlichkeit - also: die meine, um genau zu sein - überhaupt lebenslang würde zumuten können, und diesen Test habe ich nicht bestanden.« Wieder füllte er die Gläser nach.
    »Das war’s dann«, sagte drei Tische weiter ein Mann mit krausen grauen Haaren und mächtigen Schultern. »Schach und Matt!« Mit großer ausholender Geste

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