Beim ersten Om wird alles anders
eigentlich mache ich gar kein Yoga, sondern richtigen Sport, und gehe regelmäßig ins Fitnessstudio. Ja, zugegeben, man sieht es mir nicht sofort an, aber vielleicht treffen wir uns ja mal am Strand, dann kann man das besser sehen.“
Es ist Urlaubszeit, da lassen einem die Frauen auch schon mal mittelmäßige Anreden durchgehen, denke ich. So ist es wohl auch, sie lächelt zurück und meint nur:
„Da wünsche ich viel Spaß als Nicht-Yogi auf Yoga-Urlaub. “Ich deute das als Signal,schnappe mir beide Koffer, trage sie die Treppe zu den Mietwagen hoch und steige mit Tina in den nun also gemeinsam angemieteten Kleinwagen.
Mit dem Fahrzeug holpern wir zu unserer Pension am anderen Ende der Insel. Auf dem Weg dorthin unterhalten wir uns über die jeweiligen Berufe, die sehr ähnlich sind, über Eltern, Anzahl und Reihenfolge der Geschwister, über andere Urlaubsreisen, Hobbys und Musikvorlieben. Erstaunlich ungezwungen ist diese Unterhaltung. Schade, dass die Fahrt vom Flughafen zur Pension nur zwei Stunden dauert, denke ich mir, als ich in die Schotterpiste einbiege, die uns auf verschlungenen Wegen zur Pension führen soll. Tina geht es offenbar ebenso, denn kurz vor unserer Endstation sagt sie: „Nur mal so angenommen, wir haben ja beide leider kein Einzelzimmer bekommen, der Veranstalter legt uns mit irgendeinem Hardcore-Yogi aufs Zimmer. Ich glaube, das halte ich nicht aus. Ich habe das Problem bisher verdrängt, aber jetzt mache ich mir doch Sorgen.“Mir geht es genauso. Bedauerlicherweise waren bei der Buchung keinerlei Einzelzimmer mehr zu bekommen, als ich mich zur Teilnahme durchringen konnte. Auch ich habe deshalb ein banges Gefühl beim Gedanken daran, wer denn die nächsten zwei Wochen mein Mitbewohner sein wird, zudem habe ich keinerlei WG-Erfahrungen vorzuweisen, und Toleranz ist nicht meine größte Stärke.
Kurz überlegen wir, noch vor Ort spontan die Zusammenlegung in einem Doppelzimmer zu beantragen. Das hätte sicher für Aufsehen gesorgt, wenn wir nach nur zweistündiger gemeinsamer Autofahrt beschlossen hätten, den Urlaub zumindest räumlich zusammen zu verbringen.
In letzter Sekunde entscheiden wir anders, die Vernunft siegt, und erfreulicherweise bekomme ich nun doch noch ein Einzelzimmer. Tina wird ein Platz bei zwei mitreisenden Frauen zugewiesen, die sich als völlig normal und umgänglich herausstellen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir unserer spontanen Idee gefolgt wären. Streit, Verwicklungen, Chaos oder eine immerwährende Yoga-Freundschaft. Nicht umsonst steht das Retreat unter dem Motto „On the road to new experiences“.
Nachdem ich mein Zimmer bezogen habe, schaue ich mir die Pension an. Sie liegt direkt über dem Meer, von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick auf die vor uns liegende geschwungene Bucht und die darüber liegenden Gebirgszüge, über denen dann jeden Tag in einem spektakulären Farbenspiel die Sonne untergehen wird. Einen kleinen Sandstrand mit windzerzausten Strohsonnenschirmchen gibt es auch. Überhaupt der Wind. Er bläst und tobt, dass es eine Pracht ist. Der Wind ist das Geheimnis der Abgeschiedenheit dieses so schönen Ortes. Er ist auch in den Sommermonaten so stark, dass die Schifffahrt beinahe immer unmöglich ist, ich habe in den zwei Wochen nicht einmal ein Schiff vorbeifahren sehen, und auch am Strand weht er manchmal so heftig, dass Sandkörner durch die Luft gepeitscht werden, als befände man sich in einem permanenten Sandsturm.
Diese Umstände haben trotz der paradiesischen Lage noch jeden Hotelmanager mitsamt etwaigen Bauplänen aus der Bucht geblasen. Zum Glück für den Pensionsbetreiber, der die Gegend exklusiv für sich hat. Sein größtes Glück aber war der aufkommende Yoga-Boom, von dem er, der er den ganzen Tag unbeweglich in seiner Hängematte im Rezeptions- und Speisebereich der Pension
liegt, vermutlich wenig bis nichts hält. Yoga aber wird in geschlossenen Räumen betrieben, da stört der Wind nicht. Im Gegenteil hat er nach mehrstündiger Yoga-Praxis bei 35 Grad Lufttemperatur eine kühlende Wirkung, und während der Übungen klingt das Windgeräusch sehr beruhigend. Dass die Yogis aber diesen weltabgewandten Platz entdeckt haben, dürfte zu nicht geringem Teil Verdienst des Münchner Yoga-Lehrers Alexandros sein, denn er ist auf der Insel geboren und hat sie zumindest den Münchner Yoga-Schülern nahegebracht.
Nachdem ich die Pension und ihre nächste Umgebung erkundet habe, beginnt mit einer kleinen
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