Beim ersten Om wird alles anders
Sportgeschäft. Dort bin ich nicht wenig überrascht, als ich entdecke, dass es schlimmer als im schlimmsten Spezialgeschäft genau eine Mattenfarbe zur Auswahl gibt. Hellrosa. Entsetzt frage ich den Verkäufer, ob nicht wie bei Babykleidung wenigstens ein hellblaues Alternativmodell für Männer verfügbar ist, damit ich mir zumindest durch die Farbe eine gewisse männliche Restwürde bewahren kann. Nein, ist die kurze Antwort. Gibt es nicht. Wird nicht nachgefragt. Wer Yoga macht, macht offenbar keine Kompromisse. Also rosa oder gar nichts. Da sich sowohl Ladenschluss als auch Abreisetag unerbittlich nähern, muss ich nehmen, was ich kriegen kann, und kaufe das rosa Modell.
Leider gibt es keine Einkaufstüte, die groß genug für die Matte ist. Deshalb hänge ich sie mir mittels der angebrachten Schnur über den Rücken. Schon auf dem Weg zum Fahrrad über den Münchner Marienplatz meine ich, die amüsierten Blicke der Passanten zu spüren. München ist zwar tolerant, aber das geht für manchen nun doch zu weit. So wundere ich mich nicht über den freundlichen Hinweis: „Hast Dich verlaufen? Zum Glockenbachviertel mit den feschen Jungs geht’s da lang.“Tapfer ignoriere ich derartige Ratschläge, begebe mich zu meinem Fahrrad und fahre - angehende Yogis lassen sich ja nicht so schnell aus der Ruhe bringen - bemüht gelassen über die Leopoldstraße nach Hause. Dort komme ich wohlbehalten an. Kein Wunder, mit der Matte auf dem Rücken bin ich nicht zu übersehen, und man kann mir rechtzeitig ausweichen.
Zur Vorbereitung für die morgige Abreise krame ich meinen extragroßen Koffer aus dem Keller, obwohl ich außer Sportsachen und ein paar Büchern wenig einzupacken habe. Ich brauche aber viel Stauraum für meine rosa Yoga-Matte. Die stoische Gelassenheit, die es erfordert hätte, meine Matte als Handgepäck öffentlich sichtbar mit mir zu führen, will ich mir ja auf Korfu erst erwerben.
Andere sind da schon weiter, wie ich am nächsten Tag sehen kann. Im Abfertigungsbereich haben zum Erstaunen yogaferner Flughafenbesucher ein paar Hardcore-Yogis ihre Matten ausgerollt und warten im abschauenden Hund auf das Signal zum Einsteigen ins Flugzeug. Ich drücke mich in die entgegengesetzte Ecke und denke mit Schrecken an die bevorstehenden Tage.
Im Flugzeug immerhin bleiben die Matten eingerollt, aber dass der eine oder die andere den Flug im Lotossitz meditierend verbracht oder leise summend vor sich hin gechantet hat, setzte ich als sicher voraus.
Auf Korfu angekommen versammeln wir uns am Flughafen unter einem Schatten spendenden Baldachin. Wir sollen Dreiergruppen bilden und jeweils einen vorgebuchten kleinen Mietwagen besteigen, um damit über die halbe Insel zur Pension zu fahren. Zwei Stunden Fahrt stehen uns bevor.Wem soll ich mich da bloß anschließen? An Bord mit echten Yogis, so meine Befürchtung, könnte das eine Erfahrung werden, auf die mich mein bisheriges Leben nicht hinreichend vorbereitet hatte. Wer im Terminal eins in München Yoga praktiziert, dem traue ich auf korfiotischen Landstraßen von kleineren Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zu ekstatischen Mantra-Gesängen so allerhand zu.
Wie schon Friedrich Hölderlin wusste: „Wo aber Gefahr
ist, wächst das Rettende auch.“Das Rettende heißt Tina. Blonder Pferdeschwanz, hellblaue Bluse und braune Puma-Wildledersneakers. Wenn ich eine Frau auf Yoga-Urlaub wäre, genau so möchte ich aussehen. Ohne dass ich es gezielt darauf anlege, denn auf Frauenbekanntschaften bin ich nun wirklich nicht aus, komme ich auf dem Weg zu den vom Veranstalter organisierten Mietwagen mit dieser ganz besonderen Mitreisenden ins Gespräch.
„Darf ich Ihren Koffer die Treppe hochtragen? Mein Großvater hat mir beigebracht, charmanten Frauen behilflich zu sein, und an seine Ratschläge halte ich mich gerne“, ist mein Eröffnungssatz.
„So, und was hat er Ihnen sonst noch so beigebracht?“
„Ach, eigentlich nur noch, dass Mann stets einen Kamm und ein Taschenmesser bei sich zu tragen hat, aber Kämme sind ja völlig out und Taschenmesser auf Flugreisen ein Risiko, zu leicht vergisst man sie im Handgepäck. Aber zurück zur Frage: Darf ich?“
„Gerne, aber schaffen Sie denn zwei?“, fragt sie mit Blick auf meinen voluminös aussehenden, nahezu ausschließlich die versteckte Yoga-Matte beherbergenden eigenen Koffer.
„Sie sind der einzige Mann, der mit einem noch größeren Gepäckstück reist als ich.“
„Das schaffe ich, denn
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