Beim ersten Om wird alles anders
Einführungsstunde am späten Nachmittag auch schon der Yoga-Teil des Urlaubs. So ganz wohl ist mir nicht, denn ich habe hier ja streng genommen nichts zu suchen als absoluter Yoga-Anfänger, der ich nun einmal bin. Die anderen Teilnehmer wirken viel erfahrener. Nach und nach höre ich, wer sie sind und woher sie kommen. Bunt gemischt, aber alles Yoga-Experten. Nur die Hälfte der 30 Teilnehmer sind Münchner, der Rest kommt aus den USA, Australien, Frankreich, Italien, Belgien, Holland. Nicht wenige von ihnen sind zum wiederholten Mal auf Korfu, einige sind professionelle Yoga-Lehrer, die sich von Alexandros, offenbar ein Name in der internationalen Yoga-Szene, Inspiration für die eigene Praxis erwarten. Auch eine sehr exotisch-attraktive Russin ist dabei. Olga. Sie hat Alexandros vor wenigen Wochen bei einem seiner Gastauftritte in Petersburg erlebt und ist wie fast alle seiner Schüler seiner Art,Yoga zu lehren, sofort verfallen. Unter den Teilnehmern, das sollte nicht unerwähnt bleiben, sind neben mir noch weitere fünf Männer. Darunter Toni, ein sehr schöner Unternehmensberater, der sich pro Stunde - gut,
es ist heiß hier - geschätzte 17-mal das T-Shirt an und auszieht, damit jeder seine Muskeln sieht. Noch sympathischer ist mir Silvio, der Yoga-Lehrer aus Chemnitz, dessen kraftvoll-sächsischer Öm-Gesang mir ebenso lange in Erinnerung bleiben wird wie seine immerwährende gute Laune und seine vermutlich selbst entworfenen T-Shirts mit Aufschriften wie „Atmen ist gesund“.
Nun aber zu Alexandros. Er ist der Organisator der Reise und als veranstaltender Yoga-Lehrer unsere wichtigste Bezugsperson für die nächsten beiden Wochen. Schon bei der Begrüßung im Empfangsbereich der Pension hat er mich beeindruckt. Er ist Deutschgrieche, kahlköpfig rasiert, er ist groß, wirkt asketisch und muskulös zugleich. Er ist dezent, aber wirkungsvoll tätowiert, die Frauen werden ihn lieben, wir Männer werden schon bald alle sein wollen wie er. Er redet nicht viel, und was er sagt, sagt er wegen des internationalen Zuschnitts der Gruppe auf Englisch. Soll mir recht sein, auch deutsche Übungsanweisungen würde ich als Neuling nicht sofort verstehen. Deshalb lege ich mich auch ganz nach hinten in den Yoga-Raum, um mir von den vor mir Liegenden notfalls abschauen zu können, welche Bewegungen gerade angesagt sind. Der Yoga-Raum mit dunklem Holzfußboden befindet sich ganz oben über der Pension, und von dort hat man einen wunderbaren Blick auf das Meer.Von unseren meist liegenden Yoga-Positionen aus erkennen wir allerdings durch die großen Fenster nichts als den immer blauen korfiotischen Himmel und hören dazu das Rauschen von Wind und Meer.
Alexandros ruft uns im Halbkreis um ihn herum und erläutert den Ablauf des Retreats.Wir werden jeden Morgen um acht Uhr frühstücken, von neun bis ein Uhr ist dann
Yoga-Klasse mit wechselnden Übungsschwerpunkten, danach gibt es - selbstredend vegetarisches - Mittagessen. Der Nachmittag ist frei, am Abend findet noch eine kleine Yoga-Stunde statt, und die Zeit bis zum Sonnenuntergang werden wir auf dem Vorplatz des Yoga-Raums hoch über der Bucht verbringen und unter Anleitung der extra angereisten, in Yoga-Kreisen sehr bekannten Musiker - der Sängerin und Gitarristin Harvest, des Sängers und Harmoniumspielers Joe und eines schweigsamen deutschen Tabla-Percussionisten - Kirtan-Gesänge anstimmen.
Kirtan - das erfahre ich allerdings erst später, denn Alexandros setzt voraus, dass wir das wissen, sonst wären wir schließlich nicht bei diesem speziellen Yoga-Retreat - war im alten Indien und ist im neuen sich abzeichnenden Yoga-Universum schwer angesagt. Darunter versteht man Harmonium begleitetes Absingen von kurzen, mit einfachen Melodien versehenen Mantraversen aus einer der zahlreichen Yoga-Schriften in Sanskrit, der Sprache der sogenannten Veden, das sind die heiligen Schriften des Hinduismus, und der Brahmanen, das sind die Priester. Auch das Wort Mantra kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Instrument der Gedanken, Rede, heiliger Text, ein Gebet oder Lied zur Lobpreisung“. Mantras werden, wie ich auf Korfu schmerzhaft erfahre, nicht weniger als 108-mal wiederholt. Eine Kette mit 108 Perlen soll dem Singenden helfen, die Anzahl der Wiederholungen zu zählen. Das Singen soll eine heilende Wirkung haben. Es sei eine ausgezeichnete Methode, um die Nerven zu beruhigen und den Emotionen eine positive Richtung zu geben. Wie sich bald herausstellen soll, ist das
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