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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Dresen
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schwitze wie noch nie im Leben und muss ständig ein Badetuch auf die Matte legen, um nicht von der Matte zu rutschen. Den anderen geht es ähnlich, auch deshalb meint Toni wohl, bei jeder Gelegenheit seinen allerdings wirklich sehenswerten Oberkörper unbekleidet präsentieren zu dürfen.
    Gegen Ende der Stunde ruft uns Alexandros zusammen. Große Vorstellungsrunde mit gegenseitigem an den Händen fassen. Ich sage: „Ich heiße Rainer. Im normalen Leben bin ich ein eher aggressiver Anwalt. Gruppenveranstaltungen jeder Art meide ich, und singen werde ich in diesem Leben nie mehr.Yoga betreibe ich erst seit zwei Monaten, alles in allem betrachte ich das hier als Abenteuerurlaub. “Die Reaktion von Alexandros und den anderen auf mein Geständnis, vielleicht nicht der typische Teilnehmer eines Kirtan-Yoga-Retreats zu sein, ist zu meinem Erstaunen lauter Beifall.
    Am Nachmittag treffen wir uns alle am Strand und erholen
uns von den Yoga-Übungen. Nach drei Stunden Sonne haben wir genug und sind froh, dass es am Abend noch eine Yoga-Stunde gibt. Und wer hätte das gedacht: Beim anschließenden Chanten in den Sonnenuntergang wollen einzelne Teilnehmer doch tatsächlich gesehen haben, wie sich meine Lippen unbewusst bewegten.
    Beim abendlichen Essen tritt Alexandros hinter einige Teilnehmer, auch hinter mich, und massiert unsere Schultern. Das nehme ich als Ansporn, mich morgen wieder anzustrengen.

    Am nächsten Tag sind sogenannte Hüftöffnungen angesagt. Ich habe offenbar, alles ist hier ja auf Englisch, „open hips“, ich komme nämlich mit den Knien bis hinter die Ohren und lerne auch sonst noch allerhand Kunststückchen, für die es im realen Leben aber eher wenig Verwendungsmöglichkeiten geben dürfte. Diese Fertigkeit ist auch Alexandros aufgefallen. Er kommt beim Abendessen zu mir und sagt: „Wahnsinn, was du mit der Hüfte kannst.“Ich fühle mich wirklich geehrt, als Anfänger vom großen Alexandros angesprochen und gelobt zu werden, wenn es auch für etwas ist, wofür ich nichts kann. Aber so gleicht sich alles aus. Bei der Formalausbildung der Bundeswehr, also dem Exerzieren, wurde ich immer dafür gerügt, dass ich beim „Stillgestanden“meine Knie nicht zusammenhalten konnte. Ich stand da wie ehedem der O-beinige Fußballer Pierre Littbarski beim Absingen der Nationalhymne. Man wollte mir nicht abnehmen, dass es in meinem Fall physiologische Gründe hatte. Es wurde mir als Renitenz ausgelegt und mit Nachexerzieren nicht unter einer Stunde geahndet. Jetzt endlich habe ich die Erklärung: Die Hüften wollten es damals einfach nicht zulassen. Apropos zulassen: Eine Teilnehmerin, die Yoga-Lehrerin
Nadine, hat mich heute am Rande einer Übung, so wie das Yoga-Lehrer anscheinend ständig tun, an der Schulter gerieben und mir zugeflüstert: „Du musst einfach mal zulassen können.“Gut, werde ich versuchen, aber wirke ich tatsächlich so verkrampft, dass ich diesen Rat benötigen könnte? Ich fürchte ja.

    Beim Abendessen schaffe ich es, eine Teilnehmerin schwer zu verärgern, die meint, dass die regelmäßige Yoga-Praxis sie möglicherweise verjüngt. Unvermittelt fragt sie mich: „Wie alt schätzt du mich?“Ich: „Vorsicht, ich kann sehr gut schätzen, die Antwort könnte dir also nicht gefallen.“Sie: „Machs trotzdem.“Ich: „Du bist 39.“Sie total eingeschnappt: „Stimmt nicht, ich bin 38, 39 werde ich erst im September.“
    Aber nicht allen Teilnehmerinnen steht der Sinn nach yogischer Verjüngung. Eine etwas ältere Dame aus den USA, die nicht eben die perfekte Yoga-Figur hat, gibt ganz offen zu, dass sie nur wegen der Musik da ist. „I am a Kirtan groupie. I am where Joe is. But don’t tell him“, gesteht sie scherzhaft. Gefallen hat mir auch ihre Antwort auf die Information beim Essen, dass Getränke, nicht aber Kaffee, Bier und Coca Cola im Preis inbegriffen sind, was sie zu der Frage veranlasste: „And how about sex?“
    Am Abend komme ich auch wieder mit Tina ins Gespräch. Sie ist nicht nur hübsch, sondern auch sehr interessant, und damit meine ich nicht nur ihre Goldkette in Form von kleinen Handschellen oder ihre ganz spezielle Urlaubslektüre, die Geschichte der O. , sondern vor allem ihre freundliche und mitreißende Art, durch die sie schnell die Lacher auf ihrer Seite hat, egal ob sie von dem Epilierstudio Wax in the City oder von ihren Beobachtungen zum sogenannten Klempnerdekolleté erzählt, wie der
öffentlich sichtbare Teil des tieferen Rückens bei Männern, die

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