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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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legte ihre knorrigen Hände auf Saras Gesicht, um ihre Knochen zu ertasten, und sagte, sie sehe drei Kinder und ein langes Leben, aber das würde ihr nicht genügen. Was soll das heißen? fragte Sara aufgebracht, und Madame Agnes erklärte, Schicksale seien wie Lehm und könnten jeder Zeit neu geformt werden. Aber man könne nur die eigene Zukunft neu machen, nie die eines anderen Menschen, und einigen Menschen würde das einfach nicht genügen.
    Sie legte ihre Hände auf mein Gesicht und sagte nur zwei Worte: Rette dich .
    Sie sagte, der Sprit würde uns gleich hinter der Grenze nach Colorado ausgehen, und so war es auch.
    Jetzt, im Krankenhauszimmer, blickt Sara mich verständnislos an. »Wann waren wir denn in Nevada?« fragt sie. Dann schüttelt sie den Kopf. »Wir müssen einiges besprechen. Falls Anna die Anhörung am Montag durchzieht, müssen wir deine Aussage absprechen.«
    Â»Hör mal.« Ich blicke auf meine Hände. »Ich werde für Anna aussagen.«
    Â» Was? «
    Ich vergewissere mich mit einem raschen Blick, daß Kate noch schläft, und erkläre Sara meinen Standpunkt so gut ich kann. »Sara, glaub mir, ich habe mir das gründlich überlegt. Und wenn Anna nicht mehr für Kate spenden will, dann müssen wir das respektieren.«
    Â»Wenn du als Vater für Anna aussagst, wird der Richter zu ihren Gunsten entscheiden.«
    Â»Das weiß ich«, sage ich. »Deshalb will ich es ja tun.«
    Wir starren einander an, sprachlos, nicht bereit, uns einzugestehen, was am Ende dieser beiden Wege liegt.
    Â»Sara«, sage ich schließlich, »was willst du von mir?«
    Â»Ich will dich ansehen und mich erinnern, wie es einmal war«, sagt sie mit belegter Stimme. »Ich will dorthin zurück, Brian. Ich will, daß du mich zurückbringst.«
    Aber sie ist nicht mehr die Frau, die ich kannte, die Frau, die mit mir durchs Land reiste und die Höhlen von Präriehunden zählte, die mir die Kontaktanzeigen von einsamen Cowboys vorlas und mir mitten in der dunkelsten Nacht versprach, sie würde mich lieben, bis der Mond vom Himmel fällt.
    Fairerweise muß ich sagen, daß ich auch nicht mehr der Mann bin, der ich mal war. Der Mann, der ihr zuhörte. Der ihr glaubte.
    SARA
    2001 Brian und ich sitzen auf der Couch und teilen uns die Zeitung, als Anna ins Wohnzimmer kommt. »Wenn ich ab sofort immer den Rasen mähe, so ungefähr bis ich heirate, kann ich dann jetzt schon 614,96 Dollar haben?«
    Â»Wieso?« fragen wir wie aus einem Munde.
    Sie drückt die Spitze von einem ihrer Turnschuhe in den Teppich. »Ich brauche ein bißchen Geld.«
    Brian faltet seinen Teil der Zeitung zusammen. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gap-Jeans so teuer geworden sind.«
    Â»Ich wußte, daß ihr Ärger macht«, sagt sie schmollend.
    Â»Moment.« Ich setze mich auf, stütze die Ellbogen auf die Knie. »Was willst du denn kaufen?«
    Â»Ist doch egal.«
    Â»Anna«, sagt Brian, »wir blättern doch nicht über sechshundert Dollar hin, ohne zu wissen, wofür.«
    Sie denkt kurz darüber nach. »Irgendwas bei eBay.«
    Meine zehn Jahre alte Tochter surft bei eBay.
    Â»Na gut«, seufzt sie. »Torwart-Beinschützer.«
    Ich schaue Brian an, aber der blickt genauso ratlos drein wie ich. »Für Eishockey?« fragt er.
    Â»Ja, klar.«
    Â»Anna, du spielst doch gar nicht Eishockey«, wende ich ein, und als sie rot wird, schwant mir, daß ich mich vielleicht täusche.
    Brian drängt sie zu einer Erklärung. »Vor zwei Monaten, da ist mir die Kette vom Fahrrad abgegangen, direkt vor der Eishalle. Ein paar Jungs haben da trainiert, aber ihr Torwart war krank, und der Coach hat gesagt, er zahlt mir fünf Dollar, wenn ich mich ins Tor stelle. Ich hab mir die Ausrüstung von dem Jungen ausgeliehen, der krank war, und na ja … ich war gar nicht so schlecht. Ich fand’s super. Und dann habe ich öfter mitgemacht.« Anna lächelt schüchtern. »Der Coach hat mich irgendwann gefragt, ob ich nicht richtig mitmachen will, vor dem Turnier. Ich bin das allererste Mädchen in der Mannschaft. Aber ich brauche eine eigene Ausrüstung.«
    Â»Und die kostet 614 Dollar?«
    Â»Und sechsundneunzig Cents. Aber nur die Beinschützer. Ich brauche noch einen Brustschutz und Handschuhe für die Fanghand und für die Stockhand und eine Maske.«

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