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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sie blickt erwartungsvoll auf.
    Â»Darüber müssen wir reden«, sage ich zu ihr.
    Anna brummt etwas, das sich anhört wie logo , und geht aus dem Zimmer.
    Â»Sie spielt schon die ganze Zeit Eishockey und erzählt uns nichts davon«, sagt Brian, und ich schüttele fassungslos den Kopf. Ich frage mich, was unsere Tochter uns noch alles verschweigt.
    Wir wollen gerade das Haus verlassen, um Anna zum ersten Mal beim Eishockey zuzuschauen, als Kate verkündet, daß sie nicht mitkommt. »Bitte, Mom«, sagt sie flehentlich. »Nicht so, wie ich aussehe.«
    Sie hat einen feuerroten Ausschlag auf Wangen, Handflächen, Fußsohlen und auf der Brust, und obendrein ein Mondgesicht, das sie den Steroiden verdankt, die sie gegen den Ausschlag nimmt. Ihre Haut ist rauh und aufgedunsen.
    Das alles sind die Erkennungszeichen der GvHD, der Transplantat-gegen-Wirt-Krankheit, unter der Kate seit ihrer Knochenmarktransplantation leidet. In den letzten vier Jahren ist sie immer mal wieder aufgetreten, meistens, wenn wir am wenigsten damit gerechnet haben. Knochenmark ist ein Organ, und genau wie ein Herz oder eine Leber kann der Körper es abstoßen. Doch manchmal ist es umgekehrt, dann stößt das transplantierte Knochenmark den Körper ab, dem es gespendet wurde.
    Das Gute dabei ist, daß dann auch alle Krebszellen unter Dauerbeschuß stehen – was Dr. Chance Transplantat-gegen-Leukämie-Krankheit nennt. Das Schlechte sind die Symptome: chronischer Durchfall, Gelbsucht, geringere Beweglichkeit der Gelenke, Vernarbungen und Verhärtungen des Bindegewebes. Ich bin inzwischen so daran gewöhnt, daß es mich nicht mehr groß verunsichert, aber wenn die Symptome so massiv sind wie jetzt muß Kate nicht zur Schule, wenn sie nicht will. Sie ist dreizehn, und da spielt das Aussehen nun mal eine wichtige Rolle. Ich respektiere ihre Eitelkeit, weil sie nur noch so wenig davon hat.
    Aber ich kann sie nicht allein zu Hause lassen, und wir haben Anna versprochen, daß wir kommen. »Es ist wirklich wichtig für deine Schwester.«
    Doch Kate läßt sich auf die Couch fallen und drückt sich ein Kissen aufs Gesicht.
    Ohne ein weiteres Wort gehe ich zu dem kleinen Schrank in der Diele und krame diverse Sachen aus den Schubladen. Ich gebe Kate die Handschuhe, stülpe ihr die Mütze über den Kopf und wickele ihr den Schal um Nase und Mund, so daß nur die Augen zu sehen sind. »In der Eishalle ist es kalt«, sage ich mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.
    Ich erkenne Anna kaum wieder, denn sie steckt von Kopf bis Fuß in einer Ausrüstung, die wir uns schließlich vom Neffen des Coach ausleihen konnten. So ist auch nicht zu sehen, daß sie das einzige Mädchen auf dem Eis ist. Auch nicht, daß sie zwei Jahre jünger ist als alle anderen Spieler.
    Ich frage mich, ob Anna den Jubel der Zuschauer durch den Helm überhaupt hören kann oder ob sie vor lauter Konzentration auf ihre Aufgabe alles andere ausblendet, nur das Zischen des Pucks und das Geklapper der Stöcke wahrnimmt.
    Jesse und Brian hocken gebannt auf der vorderen Kante ihres Sitzes. Selbst Kate – die sich so gesträubt hatte mitzukommen – hat das Spiel gepackt. Verglichen mit Anna bewegt sich der gegnerische Torwart förmlich in Zeitlupe. Schon startet die andere Mannschaft einen neuen Angriff. Der Mittelfeldspieler gibt an den Rechtsaußen ab, der sein Glück auf eigene Faust versucht, begleitet vom tosenden Beifall der Menge. Anna macht einen Schritt nach vorn, ahnt, in welche Ecke der Puck geht und pariert, die Knie gebeugt, die Ellbogen abgewinkelt.
    Â»Unglaublich«, sagt Brian nach dem zweiten Drittel zu mir. »Sie ist ein Naturtalent im Tor.«
    Eigentlich hätten wir es ahnen können. Anna verhindert Schlimmes, jedesmal.
    In der Nacht wacht Kate auf, weil sie aus Nase, After und Augenhöhlen blutet. Ich habe noch nie soviel Blut gesehen, und während ich es zu stillen versuche, frage ich mich, wieviel Blutverlust sie verkraften kann. Als wir im Krankenhaus sind, ist sie verwirrt und verängstigt und wird schließlich bewußtlos. Die Ärzte pumpen sie voll mit Plasma, Blut und Thrombozyten, um das verlorene Blut zu ersetzen, doch alles scheint genauso schnell wieder aus ihr herauszulaufen. Sie verabreichen ihr Infusionen, um einen hypervolämischen Schock zu verhindern, und sie intubieren sie. Sie machen eine Computertomographie

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