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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Zauberstab.
    Eine Stunde später ruft Dr. Wayne uns in sein Büro. »Die Ergebnisse sind ein bißchen problematisch«, sagt er. »Vor allem die Anzahl der weißen Blutkörperchen. Die ist erheblich niedriger als normal.«
    Â»Was bedeutet das?« In dem Augenblick verfluche ich mich dafür, daß ich Jura und nicht Medizin studiert habe. Ich weiß nicht mal, wozu die weißen Blutkörperchen da sind.
    Â»Es ist nicht auszuschließen, daß sie eine Art Autoimmunschwäche hat. Es könnte aber auch bloß ein Laborfehler sein.« Er berührt Kates Haare. »Um auf Nummer Sicher zu gehen, schicke ich Sie am besten in die Hämatologie ins Krankenhaus. Für einen neuen Test.«
    Ich denke: Der Mann macht Witze . Doch gleichzeitig sehe ich, wie sich meine Hand wie von selbst hebt und das Stück Papier nimmt, das Dr. Wayne mir hinhält. Kein Rezept, wie ich gehofft hatte, sondern ein Name. Ileana Farquad, Providence Hospital, Hämatologie/Onkologie .
    Â»Onkologie.« Ich schüttele den Kopf. »Aber das ist Krebs.« Ich warte darauf, daß Dr. Wayne mir versichert, daß die Ärztin nur in beiden Abteilungen arbeitet, mir erklärt, daß beide Abteilungen sich lediglich ein Labor teilen und weiter nichts.
    Er tut es nicht.
    Ich rufe auf der Feuerwache an und erfahre, daß Brian zu einem Einsatz ausgerückt ist. Ein ärztlicher Notfall. Er ist vor zwanzig Minuten mit dem Rettungswagen los. Ich zögere und sehe hinunter auf Kate, die in sich zusammengesackt auf einem der Plastikstühle im Wartezimmer sitzt. Ein ärztlicher Notfall.
    Ich glaube an schicksalhafte Überschneidungen im Leben, daß wir gewaltige, weitreichende Entscheidungen treffen, ohne daß uns das in dem Augenblick klar ist. Wenn wir zum Beispiel an einer roten Ampel die Schlagzeilen der Zeitung überfliegen und deshalb etwas verzögert bei Grün losfahren und nicht von dem Lkw erfaßt werden, der noch eben bei Rot auf die Kreuzung gerast ist. Wenn wir spontan in einen Coffee-Shop gehen und deshalb den Mann kennenlernen, den wir später heiraten werden, weil er gerade an der Theke in seiner Tasche nach Kleingeld kramt. Oder wenn wir unserem Mann ausrichten lassen, er soll zu uns kommen, nachdem wir uns stundenlang eingeredet haben, daß kein wichtiger Grund vorliegt.
    Â»Verständigen Sie ihn über Funk«, sage ich. »Sagen Sie ihm, wir sind im Krankenhaus.«
    Es ist tröstlich, Brian neben mir zu haben, als wären wir jetzt zwei Wachposten, eine doppelte Verteidigungslinie. Seit drei Stunden sind wir im Providence Hospital, und mit jeder Minute, die vergeht, fällt es mir schwerer, mir einzureden, daß Dr. Wayne sich vertan hat. Jesse schläft auf einem Plastikstuhl. Kate hat eine weitere traumatische Blutentnahme hinter sich, und man hat ihre Brust geröntgt, weil ich erwähnt habe, daß sie sich erkältet hat.
    Â»Im fünften Monat«, sagt Brian vorsichtig zu dem Assistenzarzt, der ihm mit einem Klemmbrett gegenübersitzt. Dann sieht er mich an. »War das nicht im fünften, als sie sich gedreht hat?«
    Â»Ich glaube ja.« Inzwischen hat uns der Arzt nach praktisch allem gefragt – was wir an dem Abend anhatten, als Kate gezeugt wurde, bis hin zu dem Tag, als sie das erste Mal einen Löffel halten konnte.
    Â»Ihr erstes Wort?« fragt er.
    Brian lächelt. »Dada.«
    Â»Ich meine, wann.«
    Â»Ach so.« Er runzelt die Stirn. »Ich glaube, da war sie knapp ein Jahr.«
    Â»Entschuldigen Sie«, sage ich. »Können Sie mir sagen, warum das alles wichtig ist?«
    Â»Das ist bloß die Anamnese, Mrs. Fitzgerald. Wir möchten möglichst alles über Ihre Tochter wissen, damit wir verstehen, was mit ihr nicht in Ordnung ist.«
    Â»Mr. und Mrs. Fitzgerald?« Eine junge Frau in einem Laborkittel kommt auf uns zu. »Ich bin MTA bei Dr. Farquad. Sie möchte, daß ich bei Kate einen Blutgerinnungsstatus mache.«
    Als sie ihren Namen hört, blickt Kate, die auf meinem Schoß sitzt, blinzelnd auf. Beim Anblick des Kittels zieht sie die Arme in die Ärmel ihres Sweatshirts.
    Â»Reicht da kein Stich in den Finger?«
    Â»Nein, das ist wirklich die einfachste Methode.«
    Plötzlich muß ich daran denken, daß Kate, als ich mit ihr schwanger war, öfter Schluckauf bekommen hat. Dann zuckte mein Bauch stundenlang. Ich hatte keinerlei Kontrolle

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