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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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schon.«
    Ich erwidere nichts.
    Â»Die im Providence Hospital sind doch Stümper«, sagt Brian grimmig. »Weißt du noch, wie der Sohn von meinem Chef sich den linken Arm gebrochen hat und sie ihm den rechten eingegipst haben?«
    Ich starre wieder an die Decke. »Nur damit du’s weißt«, sage ich lauter als beabsichtigt, »ich werde Kate nicht sterben lassen.«
    Neben mir ertönt ein furchtbarer Laut – ein verwundetes Tier, ein Ertrinkender, der nach Luft schnappt. Dann preßt Brian das Gesicht gegen meine Schulter, schluchzt an meiner Haut. Er schlingt die Arme um mich und klammert sich an mich, als würde er das Gleichgewicht verlieren.
    Â»Niemals«, sage ich, doch selbst in meinen Ohren hört es sich an, als nähme ich den Mund zu voll.
    BRIAN
    Alle zehn Grad, die ein Feuer heißer wird, verdoppelt es seine Größe. Das denke ich, als Funken aus dem Schornstein des Verbrennungsofens stieben. Der Dekan der medizinischen Fakultät der Brown University ringt neben mir die Hände. Ich schwitze in meiner dicken Jacke.
    Wir sind mit einem Löschwagen, einem Leiterwagen und einem Rettungswagen da. Wir haben alle vier Seiten des Gebäudes überprüft. Wir haben bestätigt, daß niemand sich darin aufhält. Bis auf den Leichnam, der im Verbrennungsofen feststeckt und das Problem hier verursacht hat.
    Â»Er war ein beleibter Mann«, sagt der Dekan. »Wir machen das mit allen Leichnamen, wenn die Anatomiekurse fertig sind.«
    Â»He, Captain«, brüllt Paulie. Heute bedient er die Pumpe. »Red hat den Schlauch angeschlossen. Soll ich den Hydranten öffnen?«
    Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich überhaupt Wasser einsetzen soll. Der Ofen ist für rund 900 Grad ausgelegt. Über und unter dem Leichnam brennt Feuer.
    Â»Und?« sagt der Dekan. »Wollen Sie nichts unternehmen?«
    Das ist der größte Fehler, den Anfänger machen: die Annahme, daß die Bekämpfung eines Feuers zwangsläufig mit Wasser geschieht. Denn dadurch wird es manchmal nur schlimmer. In diesem Fall würde hier überall gefährlicher organischer Abfall herumfliegen. Ich denke, wir sollten den Ofen geschlossen halten und dafür sorgen, daß das Feuer nicht aus dem Schornstein austritt. Ein Feuer brennt nicht ewig. Irgendwann geht es von allein aus.
    Â»Doch«, erwidere ich. »Und zwar abwarten.«
    Wenn ich Nachtschicht habe, esse ich zweimal zu Abend. Das erste Mal früh, meiner Familie zuliebe, damit wir alle zusammen am Tisch sitzen können. Heute abend hat Sara Roastbeef gemacht. Der Braten steht auf dem Tisch, als sie uns zum Essen ruft.
    Kate rutscht als erste auf ihren Stuhl. »Na, Schätzchen«, sage ich und drücke ihr die Hand. Das Lächeln, das sie mir schenkt, erreicht nicht ihre Augen. »Was hast du heute so gemacht?«
    Sie schubst ihre Bohnen auf dem Teller hin und her. »Dritte-Welt-Länder gerettet, ein paar Atome gespaltet und den großen amerikanischen Roman vollendet. Zwischen der Dialyse natürlich.«
    Â»Natürlich.«
    Sara dreht sich um und schwingt ein Messer. »Was immer ich auch getan hab«, sage ich und zieh den Kopf ein, »es tut mir leid.«
    Sie übergeht das. »Schneid den Braten auf, ja?«
    Ich nehme das Tranchiermesser und schneide in das Roastbeef, und in diesem Moment kommt Jesse in die Küche geschlurft. Wir erlauben ihm, über der Garage zu wohnen, aber er muß mit uns zusammen essen, so lautet die Abmachung. Seine Augen sind feuerrot, seine Kleidung umhüllt süßlicher Rauch. »Das darf doch nicht wahr sein«, seufzt Sara, doch als ich mich umdrehe, starrt sie auf den Braten. »Der ist noch gar nicht fertig.« Sie hebt die Kasserolle mit bloßen Händen hoch, als wäre ihre Haut mit Asbest beschichtet, und schiebt sie zurück in den Backofen.
    Jesse greift nach einer Schüssel Kartoffeln und häuft sich den Teller voll. Mehr und mehr und mehr.
    Â»Du stinkst«, sagt Kate und wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht.
    Jesse ignoriert sie und nimmt einen Bissen von seinen Kartoffeln. Ich weiß zwar nicht, was das über mich sagt, aber ich bin richtiggehend begeistert, daß ich ihm anmerken kann, was für eine Droge durch seinen Organismus fließt: Marihuana, nicht Ecstasy, Heroin oder was weiß ich noch alles, das weniger Spuren hinterläßt.
    Â»Nicht jeder hier mag Eau de Hasch«, knurrt

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