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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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finde, jeder Mensch muß herausfinden, was wirklich zu ihm paßt, und ich bin als Mutter wesentlich besser, als ich es als Anwältin je geworden wäre. Manchmal frage ich mich, ob es nur mir so geht oder ob es noch andere Frauen gibt, die gern auf eine Karriere verzichten.
    Ich blicke auf, während ich Jesse trocken rubbele, und sehe, daß Brian mich anschaut. »Fehlt es dir, Sara?« fragt er leise.
    Ich wickele unseren Sohn in das Badetuch ein und gebe ihm einen Kuß auf den Kopf. »Wie ein gezogener Zahn«, erwidere ich.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist Brian bereits aus dem Haus. Er arbeitet zwei Tage, zwei Nächte und hat dann vier Tage frei, bevor der Turnus erneut anfängt. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, daß es schon nach neun ist. Noch erstaunlicher ist, daß meine Kinder mich nicht geweckt haben. Im Morgenmantel laufe ich nach unten, wo Jesse auf dem Fußboden mit Bauklötzen spielt. »Hab schon gefrühstückt«, teilt er mir mit. »Hab dir auch Frühstück gemacht.«
    Der Küchentisch ist mit Frühstücksflocken übersät, und unter dem Küchenschrank, in dem die Cornflakes-Packung steht, lehnt beängstigend schief ein Stuhl. Eine Milchspur führt vom Kühlschrank zur Schale.
    Â»Wo ist Kate?«
    Â»Schläft«, sagt Jesse. »Ich habe sie gekitzelt und alles.«
    Meine Kinder sind ein natürlicher Wecker. Daß Kate so spät noch schläft, erinnert mich daran, daß ihr seit kurzem die Nase läuft, und dann frage ich mich, ob sie deshalb gestern abend so müde war. Ich gehe nach oben und rufe laut ihren Namen. Als ich in ihr Zimmer komme, dreht sie sich zu mir um und sieht mich an.
    Â»Raus aus den Federn.« Ich ziehe die Jalousie hoch, lasse die Sonne über ihre Bettdecke fluten. Ich setze sie auf und reibe ihr den Rücken. »Komm, wir ziehen dich an«, sage ich und ziehe ihr den Pyjama über den Kopf.
    An ihrer Wirbelsäule entlang zieht sich eine Reihe Blutergüsse, wie eine Kette aus kleinen blauen Juwelen.
    Â»Anämie, stimmt’s?« frage ich den Kinderarzt. »Kinder in dem Alter kriegen doch keine Mononukleose, nicht wahr?«
    Dr. Wayne nimmt das Stethoskop von Kates schmaler Brust und zieht ihr das rosa Sweatshirt herunter. »Könnte ein Virus sein. Ich würde ihr gern etwas Blut abnehmen und ein paar Tests machen.«
    Jesse, der die ganze Zeit geduldig mit einem He-Man ohne Kopf spielt, horcht auf. »Hast du gehört, Kate, sie nehmen dir Blut weg.«
    Â»Will nicht.«
    Â»Das machen sie mit einer Nadel . Die ist dick und lang und damit pieksen sie dich –«
    Â»Jesse«, warne ich ihn.
    Â»Pieksen?« kreischt Kate. »Aua?«
    Meine Tochter, die sich darauf verläßt, daß sie gefahrlos die Straße überqueren kann, wenn ich es sage, daß ich ihr das Fleisch in winzige Stücke schneide und sie vor allen möglichen schrecklichen Sachen wie großen Hunden und Dunkelheit und lauten Feuerwerkskörpern beschütze, starrt mich erwartungsvoll an. »Nur eine kleine Nadel«, verspreche ich.
    Als die Arzthelferin mit einem Tablett, einer Spritze, einigen Fläschchen und einer Gummiaderpresse kommt, kreischt Kate los. Ich hole tief Luft. »Kate, sieh mich an.« Ihr Weinen verebbt zu einem leisen Schluckauf. »Das piekst nur ganz leicht.«
    Â»Das ist gelogen«, flüstert Jesse.
    Kate entspannt sich ein wenig. Die Arzthelferin legt sie auf den Untersuchungstisch und bittet mich, Kate an den Schultern festzuhalten. Ich sehe, wie die Nadel die weiße Haut an ihrem Arm durchbohrt, ich höre den plötzlichen Aufschrei – aber es fließt kein Blut. »Tut mir leid, Kleines«, sagt die Arzthelferin. »Ich muß es noch mal versuchen.« Sie zieht die Nadel heraus und sticht erneut zu. Kate heult noch lauter auf.
    Kate wehrt sich nach Kräften, während das erste und zweite Probegläschen volläuft. Beim dritten gibt sie erschöpft auf. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.
    Wir warten auf die Ergebnisse der Blutuntersuchung. Jesse liegt im Wartezimmer mit dem Bauch auf dem Teppich und fängt sich Gott weiß was für Bazillen von all den Kindern ein, die hier gesessen haben. Ich will, daß der Arzt endlich kommt, mir sagt, ich soll Kate mit nach Hause nehmen und ihr reichlich Orangensaft zu trinken geben, und dann ein Rezept für Ceclor vor uns schwenkt wie einen

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