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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hinhaut?«
    Ich wende mich ihr zu. »Julia, hör zu. Ich möchte auch mit dir über uns reden. Aber das ist jetzt kein günstiger Zeitpunkt.«
    Â»Ich meinte Anna . Campbell, sie ist völlig durcheinander. Sie erscheint nicht mal zu ihrem Gerichtstermin. Was sagt dir das?«
    Â»Daß jeder mal Angst kriegt«, erwidere ich schließlich, eine Vorwarnung für uns alle.
    Die Jalousien im Krankenhauszimmer sind geschlossen, aber ich kann trotzdem das engelsbleiche Gesicht von Kate Fitzgerald sehen, das Gespinst blauer Adern, in denen sich das Medikament einen Weg unter ihrer Haut sucht, um ihr noch eine letzte Chance zu geben. Am Fußende des Bettes hat Anna sich zusammengerollt.
    Auf meinen Befehl hin wartet Judge an der Tür. Ich gehe in die Hocke. »Anna, es ist Zeit.«
    Als sich die Tür öffnet, rechne ich damit, entweder Sara Fitzgerald oder einen Arzt mit einem Notfall-Defibrillator zu sehen. Statt dessen kommt Jesse herein. »Hi«, sagt er, als wären wir alte Freunde.
    Was machst du denn hier? habe ich schon auf der Zunge, merke aber, daß ich es gar nicht wissen will. »Wir sind auf dem Weg zum Gericht. Willst du mitkommen?« frage ich trocken.
    Â»Nein danke. Ich hab mir gedacht, wenn sowieso alle bei der Anhörung sind, bleibe ich bei ihr.« Seine Augen weichen nicht von Kate. »Sie sieht beschissen aus.«
    Â»Was hast du denn gedacht«, erwidert Anna, die jetzt wach ist. »Sie stirbt.«
    Wieder blicke ich meine Mandantin verblüfft an. Ich müßte doch besser als die meisten wissen, daß die Motive eines Menschen nicht so ohne weiteres zu durchschauen sind, aber auf Anna kann ich mir noch immer keinen richtigen Reim machen. »Wir müssen los.«
    Im Auto sitzt Anna neben mir, während Judge sich auf der Rückbank niedergelassen hat. Sie erzählt mir von einem verrückten Fall, den sie im Internet entdeckt hat. Einem Mann in Montana wurde 1876 gesetzlich untersagt, seine Felder mit Wasser aus einem Fluß zu bewässern, der auf dem Grund und Boden seines Bruders entsprang, obwohl dadurch seine ganze Ernte vertrocknete. »Was machen Sie denn?« fragt sie, als ich nicht in die Straße zum Gerichtsgebäude einbiege.
    Statt dessen halte ich vor einem Park.
    Â»Wir kommen zu spät«, sagt Anna nach einem Augenblick.
    Â»Wir sind schon zu spät. Hör mal, Anna. Was machen wir hier eigentlich?«
    Sie bedenkt mich mit einem dieser typischen Teenagerblicke, als wollte sie sagen, daß sie und ich nie im Leben derselben Evolutionsreihe angehören können. »Wir gehen vor Gericht.«
    Â»Das meine ich nicht. Ich will wissen, warum wir vor Gericht gehen.«
    Â»Also, Campbell, da haben Sie den ersten Tag Ihres Studiums wohl geschwänzt. Vor Gericht geht man, wenn jemand Klage eingereicht hat oder wenn, wie bei uns, eine Anhörung stattfindet.«
    Ich lasse mich nicht beirren. »Anna, warum gehen wir vor Gericht?«
    Sie zuckt nicht mit der Wimper. »Warum haben Sie einen Servicehund?«
    Ich trommele mit den Fingern aufs Lenkrad und blicke in den Park. Eine Mutter schiebt einen Buggy vorbei, Vogelgezwitscher erschallt aus einem Baum. »Darüber rede ich nicht mit jedem.«
    Â»Ich bin doch nicht jeder.«
    Ich hole tief Luft. »Vor vielen Jahren hatte ich eine schlimme Entzündung im Ohr. Aber aus irgendeinem Grund schlugen die Medikamente nicht an, und der Gehörnerv wurde beschädigt. Ich bin auf dem linken Ohr völlig taub. Ich kann damit leben, aber bestimmte Sachen im Alltag klappen nicht mehr. Ich kann zwar hören, wenn ein Auto kommt, aber ich weiß nicht aus welcher Richtung. Oder im Supermarkt steht jemand hinter mir im Gang und will vorbei, und ich höre nicht, daß ich angesprochen werde. Ich habe Judge so abrichten lassen, daß er in diesen Fällen mein Gehör ist.« Ich zögere. »Ich mag es nicht, wenn Leute mit mir Mitleid haben. Deshalb mache ich so ein großes Geheimnis draus.«
    Anna beäugt mich argwöhnisch. »Ich bin zu Ihnen in die Kanzlei gekommen, weil ich wollte, daß es einmal um mich geht, nicht immer nur um Kate.«
    Aber dieses Eingeständnis ihres Egoismus kommt nicht von Herzen, es klingt irgendwie falsch. Anna hat mich nicht engagiert, weil sie will, daß ihre Schwester stirbt, sondern einfach weil sie eine Chance haben will zu leben. » Du lügst.«
    Anna verschränkt die Arme. »Tja, Sie haben

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