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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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eigenen. Niemand bezweifelt, daß Sara Fitzgerald alle ihre Kinder liebt, oder stellt die Entscheidungen in Frage, die sie getroffen hat, um Kates Leben zu verlängern. Aber heute müssen wir die Entscheidungen in Zweifel ziehen, die sie für dieses Kind getroffen hat.«
    Ich drehe mich um und sehe, daß Julia mich genau beobachtet. Und plötzlich weiß ich, was ich zu sagen habe. »Sie erinnern sich doch bestimmt an den tragischen Vorfall vor noch gar nicht so langer Zeit, als in Worcester, Massachusetts, Feuerwehrleute bei der Bekämpfung eines Brandes ums Leben gekommen sind, den eine obdachlose Frau verursacht hatte. Sie wußte, daß das Feuer ausgebrochen war, und verließ das Gebäude, aber sie rief nicht die Feuerwehr, weil sie sich keine Schwierigkeiten einhandeln wollte. In dieser Nacht starben sechs Menschen, und trotzdem konnte die Frau nicht angeklagt werden, weil niemand in unserem Land – selbst wenn die Folgen tragisch sind – für die Sicherheit eines anderen Menschen verantwortlich ist. Niemand ist verpflichtet, einem anderen zu helfen, der in Not ist. Nicht, wenn man das Feuer selbst verursacht hat, nicht, wenn man zufällig an einem Autounfall vorbeikommt, nicht, wenn man ein hundertprozentig passender Spender ist.«
    Ich blicke erneut zu Julia hinüber. »Wir sind heute hier, weil unser Rechtssystem einen Unterschied macht zwischen dem, was legal ist, und dem, was moralisch richtig ist. Manchmal ist es leicht, beides auseinanderzuhalten. Aber hin und wieder, vor allem wenn beides eng zusammenhängt, sieht das Richtige schon mal falsch aus und das Falsche richtig.« Ich gehe zurück zu meinem Platz und bleibe davor stehen. »Wir sind heute hier«, sage ich abschließend, »damit dieses Gericht uns allen hilft, die Sache ein wenig klarer zu sehen.«
    Meine erste Zeugin ist die gegnerische Anwältin. Ich sehe, wie Sara auf wackeligen Beinen zum Zeugenstand geht, eine Matrosin, die sich erst wieder an das schwankende Schiff gewöhnen muß. Sie schafft es, sich in den Sessel zu setzen und vereidigen zu lassen, ohne die Augen von Anna abzuwenden.
    Â»Euer Ehren, ich bitte um Erlaubnis, Mrs. Fitzgerald wie eine Zeugin der Gegenseite zu befragen.«
    Die Miene des Richters verfinstert sich. »Mr. Alexander, ich wäre Ihnen und Mrs. Fitzgerald sehr verbunden, wenn Sie sich hier wie zivilisierte Menschen benehmen.«
    Â»Selbstverständlich, Euer Ehren.« Ich gehe auf Sara zu. »Bitten nennen Sie Ihren Namen.«
    Sie hebt das Kinn einen Zentimeter. »Sara Crofton Fitzgerald.«
    Â»Sind Sie die Mutter des minderjährigen Kindes Anna Fitzgerald?«
    Â»Ja. Und auch die Mutter von Kate und Jesse.«
    Â»Trifft es zu, daß Ihre Tochter Kate im Alter von zwei Jahren an akuter Promyelozytenleukämie erkrankte?«
    Â»Das ist richtig.«
    Â»Stimmt es, daß Sie und Ihr Mann wenig später beschlossen, ein genetisch programmiertes Kind auf die Welt zu bringen, das als Organspender für Kate dienen sollte, damit sie geheilt werden könnte?«
    Saras Miene verhärtet sich. »Ich würde es nicht mit Ihren Worten ausdrücken, aber ja, das ist der Grund, warum wir uns entschieden haben, Anna zu bekommen. Wir wollten Annas Nabelschnur für eine Transplantation verwenden.«
    Â»Warum haben Sie nicht versucht, einen Fremdspender zu finden?«
    Â»Das ist erheblich gefährlicher. Bei jemandem, der nicht mit Kate verwandt ist, wäre das Sterblichkeitsrisiko wesentlich höher gewesen.«
    Â»Und wie alt war Anna, als sie zum ersten Mal für ihre Schwester ein Organ oder Gewebe gespendet hat?«
    Â»Kate hat das Transplantat einen Monat nach Annas Geburt erhalten.«
    Ich schüttele den Kopf. »Ich habe nicht gefragt, wann Kate es erhalten hat. Ich habe gefragt, wann Anna es gespendet hat. Das Nabelschnurblut wurde Anna unmittelbar nach der Geburt abgenommen, nicht wahr?«
    Â»Ja«, sagt Sara, »aber Anna hat nichts davon gespürt.«
    Â»Wie alt war Anna, als sie das nächste Mal irgend etwas von ihrem Körper für Kate gespendet hat?«
    Sara zuckt zusammen, wie ich es erwartet hatte. »Sie war fünf, als sie Lymphozyten gespendet hat.«
    Â»Wie funktioniert das?«
    Â»Aus den Armbeugen wird Blut entnommen.«
    Â»Hat Anna sich damit einverstanden erklärt, daß ihr eine Nadel in den Arm gestochen wurde?«
    Â»Sie war fünf Jahre alt«,

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