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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Entscheidung ausfällt«, sage ich scharf. »Da mußt du schon warten, bis du mich als Zeugin aufrufst.« Ich greife nach dem Anker und will ihn einholen. »Ich möchte jetzt zurück, bitte.«
    Campbell nimmt mir das Tau aus der Hand. »Du hast mir schon gesagt, daß es deiner Ansicht nach nicht in Annas Interesse ist, ihrer Schwester eine Niere zu spenden.«
    Â»Ich habe dir auch gesagt, daß sie außerstande ist, diese Entscheidung allein zu treffen.«
    Â»Ihr Vater ist mit ihr vorübergehend von zu Hause ausgezogen. Er kann ihr moralischer Kompaß sein.«
    Â»Und wie lange wird das dauern? Was ist beim nächsten Mal?« Ich bin wütend auf mich, daß ich auf Campbell reingefallen bin. Daß ich mich darauf eingelassen habe, mit ihm essen zu gehen, daß ich mir vorgemacht habe, es ginge ihm darum, mit mir zusammenzusein, wo er mich in Wirklichkeit nur ausnutzen will.
    Alles – von den Komplimenten über mein Aussehen bis zu dem Wein, der hier auf Deck zwischen uns steht – war nur kalte Berechnung, um mit meiner Hilfe den Fall zu gewinnen.
    Â»Sara Fitzgerald hat uns ein Angebot gemacht«, sagt Campbell. »Sie hat gesagt, wenn Anna eine Niere spendet, wird sie sie nie wieder bitten, etwas für ihre Schwester zu tun. Anna hat nein gesagt.«
    Â»Dir ist doch klar, wenn ich dem Richter erzähle, was hier gelaufen ist, läßt er dich einsperren. Es ist ein schwerer Verstoß gegen das Berufsethos, mich mit Tricks und Schlichen in meiner Meinung beeinflussen zu wollen.«
    Â»Tricks und Schliche? Ich habe nur die Karten auf den Tisch gelegt. Ich habe dir deine Arbeit erleichtert.«
    Â»Ach ja, richtig. Verzeih mir«, sage ich sarkastisch. »Hier geht es gar nicht um dich . Hier geht es auch gar nicht darum, daß ich in meinem Bericht den Antrag deiner Mandantin unterstützen soll. Wenn du ein Tier wärst, Campbell, weißt du was für eins? Eine Kröte. Nein, noch besser, ein Parasit am Bauch einer Kröte. Jedenfalls irgendwas, das sich nimmt, was es braucht, ohne auch nur das geringste zurückzugeben.«
    Eine Ader pocht blau an seiner Schläfe. »Bist du fertig?«
    Â»Nein, noch nicht. Kommt eigentlich gelegentlich mal was Ehrliches aus deinem Mund?«
    Â»Ich habe dich nicht belogen.«
    Â»Nein? Wofür ist der Hund, Campbell?«
    Â»Menschenskind, hältst du jetzt endlich mal die Klappe?« sagt Campbell, und dann zieht er mich in seine Arme und küßt mich.
    Sein Mund bewegt sich wie eine stumme Erzählung. Er schmeckt nach Salz und Wein. Wir müssen nichts neu lernen, müssen nicht die Muster der vergangenen fünfzehn Jahre angleichen. Unsere Körper erinnern sich. Er leckt meinen Namen an meinem Hals. Er preßt sich so fest an mich, daß jede Verletzung, die vielleicht noch zwischen uns steht, ganz dünn gedrückt wird, uns verbindet, statt uns voneinander zu trennen.
    Als wir uns voneinander lösen, um Luft zu holen, starrt Campbell mich an. »Ich habe trotzdem recht«, flüstere ich.
    Es ist das Natürlichste von der Welt, als Campbell mir mein altes Sweatshirt über den Kopf zieht, den Verschluß meines BHs öffnet. Als er vor mir kniet, mit dem Kopf an meinem Herzen, als ich spüre, wie das Wasser das Boot schaukelt, denke ich, daß das hier vielleicht unser Platz ist. Vielleicht gibt es ganze Welten, in denen es keine Zäune gibt, wo das Gefühl dich trägt wie Wellen.

MONTAG
    Und wie klein kann ein Feuer sein,
das einen großen Wald in Brand steckt.
    DAS NEUE TESTAMENT,
    Jakobus, 3:5

CAMPBELL
    Wir schlafen in der kleinen Kabine meines Bootes, das wieder an seinem Anlegeplatz vertäut ist. Es ist eng, aber das spielt keine Rolle: Die ganze Nacht schmiegt sie sich um mich wie eine zweite Haut. Sie schnarcht, ein ganz klein wenig. Ihr Vorderzahn ist schief. Ihre Wimpern sind so lang wie mein Daumennagel.
    Zwischen uns ist alles anders, jetzt, wo fünfzehn Jahre vergangen sind. Mit siebzehn denkst du nicht darüber nach, in wessen Wohnung du schlafen willst. Mit siebzehn siehst du nicht mal das Perlrosa ihres BHs. Mit siebzehn zählt allein das Jetzt, nicht das Danach.
    Was ich an Julia geliebt hatte – jetzt hab ich’s gesagt –, war, daß sie niemanden brauchte. Auf der Wheeler School war sie auffällig wie ein bunter Hund mit ihren pink gefärbten Haaren und der Army-Jacke und den Springerstiefeln, aber sie

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