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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zu mir, daß nur ich ihn verstehen kann. »Als Kind hatte ich einen Freund namens Joseph Good«, flüsterte er. »Stell dir mal vor, Dr. Neaux hätte den geheiratet.«
    Ich lächele noch, als er wieder zurücktritt, und ich denke, daß ich vielleicht, nur vielleicht, doch noch zwei oder drei Minuten hier oben aushalte.
    Campbells Hund dreht durch – wie es aussieht, braucht er am allerdringendsten Wasser oder sonst was. Und ich bin nicht die einzige, der das auffällt. »Mr. Alexander«, sagt Richter DeSalvo, »bitte sorgen Sie dafür, daß Ihr Hund ruhig ist.«
    Â»Es reicht.«
    Â»Wie bitte?«
    Campbell wird krebsrot. »Ich meinte den Hund, Euer Ehren.« Dann wendet er sich mir zu. »Anna, warum hast du diesen Antrag gestellt?«
    Wie ihr wahrscheinlich wißt, hat eine Lüge einen ganz eigenen Geschmack. Dick und bitter und irgendwie falsch.
    Â»Sie hat mich gefragt«, sage ich, die ersten paar Worte, die bestimmt gleich zur Lawine werden.
    Â»Wer hat dich was gefragt?«
    Â»Meine Mom«, sage ich und starre auf Campbells Schuhe. »Sie hat mich gefragt, ob ich eine Niere spenden würde.«
    Vor knapp zwei Monaten wurde bei Kate Nierenversagen diagnostiziert. Sie war matt, magerte ab, hatte Wassereinlagerungen und mußte sich oft übergeben. Man gab einer ganzen Reihe von Dingen die Schuld dafür: genetische Anomalien, Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor, Wachstumshormonspritzen, die Kate bekommen hatte, um die Knochenmarksproduktion anzuregen, die Belastung durch andere Behandlungen. Sie mußte zur Dialyse, um die Gifte loszuwerden, die in ihrem Blutkreislauf rumschwammen. Und dann klappte das mit der Dialyse nicht mehr.
    Eines Abends kam meine Mutter in unser Zimmer, wo Kate und ich gerade herumhingen. Sie hatte meinen Vater dabei, was bedeutete, daß wir uns auf etwas Ernstes gefaßt machen mußten. »Ich hab mich im Internet schlau gemacht«, sagte meine Mutter. »Von der Transplantation bestimmter Organe erholt man sich viel schneller als von einer Knochenmarktransplantation.«
    Kate sah mich an und legte eine neue CD auf. Wir wußten beide, worauf das hinauslaufen würde. »Eine Niere kriegt man aber nicht bei Woolworth.«
    Â»Ich weiß. Aber ich hab gelesen, daß man als Nierenspender nur bei ein paar HLA-Proteinen übereinstimmen muß – nicht bei allen sechs. Ich hab Dr. Chance angerufen und gefragt, ob ich als Spenderin in Frage komme, und er hat gesagt, bei einem normalen Fall vermutlich ja.«
    Kate horchte auf. »Bei einem normalen Fall?«
    Â»Was du nicht bist. Dr. Chance meint, daß du ein Organ aus dem allgemeinen Spenderpool abstoßen würdest, weil dein Körper schon soviel durchgemacht hat.« Meine Mutter sah nach unten auf den Teppich. »Er rät von dem Eingriff ab, es sei denn, die Niere kommt von Anna.«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Das ist ein schwerer Eingriff«, sagte er leise. »Für beide.«
    Ich fing an nachzudenken. Würde ich ins Krankenhaus müssen? Würde es weh tun? Konnten Menschen mit nur einer Niere leben?
    Was, wenn meine Niere versagen würde, wenn ich, sagen wir, siebzig wäre? Wo würde ich dann einen Ersatz herkriegen?
    Ehe ich auch nur eine dieser Fragen stellen konnte, meldete Kate sich zu Wort. »Ich mach’s nicht noch mal, klar? Ich bin es satt. Die Krankenhäuser und die Chemo und die Bestrahlung und den ganzen Scheiß. Laßt mich doch einfach in Ruhe!«
    Das Gesicht meiner Mutter wurde weiß. »Na gut, Kate. Dann begeh doch Selbstmord!«
    Kate setzte ihren Kopfhörer wieder auf und drehte die Musik so laut, daß ich sie hören konnte. »Das ist kein Selbstmord«, sagte sie, »wenn man sowieso stirbt.«
    Â»Hast du je irgend jemandem gesagt, daß du nicht spenden willst?« fragt Campbell mich, während sein Hund im Gerichtssaal zunehmend ausrastet.
    Â»Mr. Alexander«, sagt Richter DeSalvo, »ich rufe jetzt einen Gerichtsdiener, der Ihren … Hund abholt.«
    Und wirklich, der Hund ist außer Rand und Band. Er bellt und springt an Campbell hoch und rennt wie verrückt im Kreis. Campbell achtet weder auf den Richter noch auf Judge. »Anna, hast du ganz allein beschlossen, dieses Verfahren anzustrengen?«
    Ich weiß, wonach er fragt. Er will allen beweisen, daß ich in der Lage bin, so schwere Entscheidungen allein zu

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