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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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groß sein!« Sie stellt Jesse wieder auf den Boden und beugt sich dann über das Krankenbett, wo Kate schläft. »Du erinnerst dich bestimmt nicht an mich«, sagt Zanne mit strahlenden Augen. »Aber ich mich an dich.«
    Es fällt mir so leicht – Zanne alles zu überlassen. Sie überredet Jesse, mit ihr Schiffe versenken zu spielen, und schafft es auf nicht gerade zartfühlende Art, daß ein Chinarestaurant ohne Lieferservice unsere Bestellung ins Krankenhaus bringt. Ich sitze neben Kate und genieße die Tüchtigkeit meiner Schwester. Ich rede mir ein, daß sie die Dinge regeln kann, denen ich machtlos ausgeliefert bin.
    Nachdem Zanne am Abend mit Jesse zu uns nach Hause gefahren ist, werden Brian und ich für Kate Buchstützen im Dunkeln. »Brian«, flüstere ich. »Ich habe nachgedacht.«
    Er rutscht auf seinem Stuhl hin und her. »Worüber?«
    Ich beuge mich vor, damit ich seinen Blick auffangen kann. »Ich möchte noch ein Kind.«
    Brians Augen verengen sich. »Mein Gott, Sara.« Er steht auf und dreht mir den Rücken zu. »Ich faß es nicht.«
    Ich stehe auch auf. »Du verstehst das falsch.«
    Als er mich anschaut, ist jeder Muskel seines Gesichts qualvoll angespannt. »Wir können Kate nicht einfach ersetzen, falls sie stirbt«, sagt er.
    Kate bewegt sich in ihrem Bett, und die Decke raschelt. Ich zwinge mich, sie mir mit vier Jahren vorzustellen, verkleidet an Halloween; mit zwölf, wie sie zum ersten Mal Lipgloss ausprobiert; mit zwanzig, wie sie im Studentenwohnheim in ihrem Zimmer tanzt. »Ich weiß. Also müssen wir dafür sorgen, daß sie nicht stirbt.«

MITTWOCH
    Ich lese dir aus der Asche, wenn du mich bittest.
    Ich schaue ins Feuer und deute für dich die
    grauen Wimpern
    Und aus den roten und schwarzen Zungen
    und Streifen
    Werde ich lesen, wie Feuer entsteht
    Und wie es dahinfließt so weit wie das Meer.
    CARL SANDBURG,
    â€ºFire Pages‹

CAMPBELL
    Wir alle sind, so nehme ich an, unseren Eltern zu Dank verpflichtet – die Frage ist bloß, wie sehr? Der Gedanke geht mir durch den Kopf, während meine Mutter mir von der letzten Affäre meines Vaters vorjammert. Nicht zum ersten Mal wünschte ich, ich hätte Geschwister – dann würde ich von ihr in aller Herrgottsfrühe vielleicht nur einen oder zwei Anrufe pro Woche kriegen statt sieben.
    Â»Mutter«, falle ich ihr ins Wort, »ich bezweifele, daß sie wirklich erst sechzehn ist.«
    Â»Du unterschätzt deinen Vater, Campbell.«
    Vielleicht, aber ich weiß auch, daß er Bundesrichter ist. Er mag ja scharf auf Schulmädchen sein, aber er würde nie irgendwas Illegales tun. »Mom, ich hab einen Gerichtstermin und bin spät dran. Ich melde mich später bei dir«, sage ich und lege auf, bevor sie protestieren kann.
    Ich habe zwar keinen Gerichtstermin, aber ich hätte ihn jetzt brauchen können. Ich hole tief Luft, schüttele den Kopf und sehe, daß Judge mich anschaut. »Grund 106, warum Hunde schlauer sind als Menschen«, sage ich. »Sobald ihr die Wurfkiste verlaßt, kappt ihr den Kontakt zu eurer Mutter.«
    Ich gehe in die Küche, binde mir dabei die Krawatte. Meine Wohnung ist ein Kunstwerk. Schick und minimalistisch, alles vom Feinsten: eine schwarze Ledercouch – ein Unikat –, ein Flachbildschirm an der Wand, eine verschlossene Glasvitrine mit signierten Erstausgaben von Autoren wie Hemingway und Hawthorne. Meine Espressomaschine ist ein Import aus Italien, mein Kühlschrank ein Designermodell. Ich öffne ihn und sehe eine einsame Zwiebel, eine Flasche Ketchup und drei Rollen Schwarzweißfilm.
    Auch das ist keine Überraschung – ich esse selten zu Hause. Judge ist dermaßen an Restaurantessen gewöhnt, daß er Hundefutter nicht mal als solches erkennen würde. »Was meinst du?« frage ich ihn. »Ins Rosie’s?«
    Er bellt, als ich ihm sein Geschirr anlege. Judge und ich sind seit sieben Jahren zusammen. Ich habe ihn bei einem Züchter von Polizeihunden gekauft, doch er wurde speziell für mich abgerichtet. Was seinen Namen betrifft, na, welcher Anwalt würde nicht gerne ab und zu einen »Richter« herumkommandieren?
    Das Rosie’s ist das, was Starbucks gern wäre: schön postmodern und abgedreht, mit einer kunterbunten Schar von Gästen, von denen die einen vielleicht russische Literatur im Original lesen oder

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