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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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den Jahresabschluß einer Firma am Laptop machen, während andere im Koffeinrausch ein Drehbuch schreiben. Judge und ich sitzen meistens an unserem Stammplatz, im hinteren Teil. Wir bestellen einen doppelten Espresso und zwei Schokocroissants, und wir flirten schamlos mit Ophelia, der zwanzigjährigen Kellnerin. Aber als wir heute kommen, ist Ophelia nirgends zu sehen, und an unserem Tisch sitzt eine Frau und verfüttert einen Bagel an ein Kind in einem Kinderwagen. Das bringt mich derart aus dem Konzept, daß Judge mich zu dem einzigen Platz ziehen muß, der frei ist, einem Hocker an der Theke mit Blick auf die Straße.
    Morgens halb acht, und der Tag ist schon im Eimer.
    Ein heroindünner Junge mit so vielen Ringen in den Augenbrauen, daß er an eine Duschvorhangstange erinnert, kommt mit einem Notizblock auf mich zu. »Tut mir leid, Mann. Hunde sind nicht erlaubt.«
    Â»Das ist ein Servicehund«, erkläre ich. »Wo ist Ophelia?«
    Â»Die ist weg, Mann. Durchgebrannt, letzte Nacht.«
    Durchgebrannt ? In welchem Jahrhundert leben wir? »Mit wem?« frage ich, obwohl es mich nichts angeht.
    Â»Irgend so ein Performancekünstler, der aus Hundehaufen Politikerbüsten macht. Soll wohl so was wie ’ne politische Aussage sein.«
    Ich empfinde einen Stich Mitleid für Ophelia. Lassen Sie sich eins gesagt sein: Liebe hat die Lebensdauer eines Regenbogens – wunderschön, solange sie da ist, und so schnell wie ein Augenblinzeln auch wieder verschwunden.
    Der Kellner greift in seine Gesäßtasche und reicht mir eine Plastikkarte. »Hier ist die Speisekarte in Blindenschrift.«
    Â»Ich möchte einen doppelten Espresso und zwei Schokocroissants, und ich bin nicht blind.«
    Â»Wofür ist Bello denn dann da?«
    Â»Ich habe SARS«, erwidere ich. »Er registriert die Leute, die ich anstecke.«
    Der Kellner scheint zu überlegen, ob ich einen Witz mache oder nicht. Er zieht sich verunsichert zurück, um meinen Espresso zu holen.
    Von diesem Tisch aus habe ich einen Blick auf die Straße. Ich sehe, wie eine ältere Frau um ein Haar von einem Taxi angefahren wird. Ein Junge tanzt mit einem Ghettoblaster auf der Schulter vorbei. Zwillinge in der Uniform einer kirchlichen Privatschule kichern hinter den Seiten eines Teenagermagazins. Und eine Frau mit einem Wildbach aus schwarzem Haar kippt sich Kaffee über den Rock und wirft den Pappbecher auf die Straße.
    In mir bleibt alles stehen. Ich warte, daß sie das Gesicht hebt – um zu sehen, ob sie wirklich die ist, die ich in ihr zu erkennen meine –, doch sie wendet sich von mir ab, während sie den Stoff mit einem Papiertaschentuch betupft. Ein Bus schneidet die Welt in zwei Hälften, und mein Handy klingelt.
    Ich blicke auf die Nummer im Display: keine große Überraschung. Ich stelle das Handy aus, statt den Anruf meiner Mutter entgegenzunehmen, und halte nach der Frau draußen vor dem Fenster Ausschau, aber inzwischen ist der Bus verschwunden und sie auch.
    Kaum habe ich die Kanzlei betreten, belle ich Kerri ein paar Anweisungen zu. »Rufen Sie Osterlitz an und fragen Sie ihn, ob er im Weiland-Prozeß aussagen kann. Besorgen Sie eine Liste mit den Leuten, die in den letzten fünf Jahren sonst noch gegen New England Power geklagt haben. Kopieren Sie mir die schriftlichen Aussagen im Melbourne-Fall, und rufen Sie Jerry im Gericht an und fragen Sie ihn, wer bei der Anhörung von der kleinen Fitzgerald den Vorsitz hat.«
    Sie blickt zu mir hoch, und im selben Moment beginnt das Telefon zu klingeln. »Apropos.« Sie deutet mit dem Kinn zur Tür meines Allerheiligsten. Anna Fitzgerald steht davor, hat eine Sprühflasche Reinigungsmittel und einen Lappen in der Hand und poliert den Knauf.
    Â»Was soll das?« frage ich.
    Â»Sie haben gesagt, ich soll das machen.« Sie blickt zu Judge runter. »Hallo, Judge.«
    Â»Leitung zwei für Sie«, ruft Kerri. Ich werfe ihr einen vielsagenden Blick zu – wieso sie dem Mädchen das erlaubt hat, ist mir schleierhaft – und will in mein Büro gehen, aber der Knauf ist so glitschig von dem Zeug, mit dem Anna ihn poliert hat, daß ich erst ein paarmal abrutsche, bevor die Tür sich endlich öffnet.
    Judge schnuppert den Boden ab und sucht sich den bequemsten Platz. Ich drücke auf den blinkenden Knopf an meinem Telefon. »Campbell Alexander.«
    Â»Mr. Alexander, hier spricht Sara

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