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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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leiser dreht, werden die Klänge schlagartig dumpf. » Was ist ?«
    Â»Ich möchte mit dir reden. Ich möchte mich entschuldigen.«
    Ich höre Schlurfen auf der anderen Seite der Tür, und dann wird sie aufgerissen. Jesses Mund ist voller Blut, der Lippenstift eines Vampirs. Drahtenden ragen heraus wie die Abstecknadeln einer Näherin. Ich sehe die Gabel in seiner Hand und begreife dann, daß er sich damit die Spange herausgerissen hat. »Jetzt mußt du mit mir nirgendwo mehr hin«, sagt er.
    Zwei Wochen vergehen, während Kate mit ATRA behandelt wird. »Wußtest du«, sagt Jesse eines Tages zu mir, als ich für Kate die Kapsel fertig mache, »daß Riesenschildkröten 177 Jahre alt werden können?« Er verschlingt zur Zeit jeden Band von Ripleys unglaubliche Welt . »Und eine Arctica Islandica kann 220 Jahre alt werden.«
    Anna sitzt auf der Küchentheke und löffelt Erdnußbutter aus dem Glas. »Was ist das denn?«
    Â»Ist doch egal«, sagt Jesse. »Ein Papagei kann achtzig Jahre alt werden. Eine Katze dreißig Jahre.«
    Â»Und Herkules?« fragt Kate.
    Â»In meinem Buch steht, wenn ein Goldfisch gut gepflegt wird, kann er sieben Jahre alt werden.«
    Jesse sieht zu, wie Kate sich die Kapsel auf die Zunge legt und sie mit einem Schluck Wasser runterschluckt. »Wenn du Herkules wärst«, sagt er, »dann wärst du schon tot.«
    Brian und ich nehmen auf den Stühlen in Dr. Chance’ Büro Platz. Fünf Jahre sind vergangen, doch die Sitzflächen passen wie ein alter Handschuh. Selbst die Fotos auf dem Schreibtisch des Onkologen sind unverändert. Seine Frau trägt noch immer denselben breitkrempigen Hut auf einer Steinmole in Newport, sein Sohn ist als Sechsjähriger mit einer Forelle in den Händen verewigt – was in mir das Gefühl verstärkt, daß wir eigentlich nie fort waren.
    Das ATRA hat gewirkt. Einen Monat lang war Kate wieder in molekularer Remission. Und dann hat ein großes Blutbild ergeben, daß sich die Zahl ihrer Promyelozyten vermehrt hat.
    Â»Wir könnten ihr weiter ATRA verabreichen«, sagt Dr. Chance, »aber da es jetzt versagt hat, glaube ich, ist diese Möglichkeit ausgeschöpft.«
    Â»Was ist mit einer Knochenmarktransplantation?«
    Â»Das ist riskant – vor allem bei einem Kind, das noch immer keine Symptome für einen vollständigen klinischen Rückfall zeigt.« Dr. Chance blickt uns an. »Wir können vorher noch etwas anderes ausprobieren. Es nennt sich Spenderlymphozyteninfusion – nach dem englischen Begriff abgekürzt DLI. Manchmal kann eine Transfusion weißer Blutkörperchen von einem passenden Spender dem Originalklon der Nabelschnurblutzellen helfen, die Leukämiezellen zu bekämpfen. Sie müssen sich das wie eine Ersatzarmee vorstellen, die die Frontlinie unterstützt.«
    Â»Kommt sie dadurch wieder in Remission?« fragt Brian.
    Dr. Chance schüttelt den Kopf. »Es ist eine Notmaßnahme – Kate wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen richtigen Rückfall haben –, aber wir gewinnen Zeit, um ihre Abwehr zu verstärken, bevor wir überstürzt mit einer aggressiveren Behandlung anfangen müssen.«
    Â»Und wie lange dauert es, die Lymphozyten zu gewinnen?« frage ich.
    Dr. Chance blickt mich. »Kommt drauf an. Wie schnell können Sie Anna herbringen?«
    Als die Fahrstuhltüren aufgehen, ist nur eine einzige Person darin, ein Obdachloser mit einer stahlblauen Sonnenbrille und sechs Plastiktüten voller Lumpen. »Tür zu, verdammt noch mal«, brüllt er, als wir eingestiegen sind. »Sehen Sie nicht, daß ich blind bin?«
    Ich drücke den Erdgeschoßknopf. »Ich kann Anna herbringen, nach dem Kindergarten. Der ist morgen schon mittags aus.«
    Â»Finger weg von meinen Tüten«, knurrt der Obdachlose.
    Â»Ich hab nichts angefaßt«, erwidere ich reserviert und höflich.
    Â»Laß es lieber«, sagt Brian.
    Â»Wie käme ich dazu, seine Tüten anzufassen!«
    Â»Sara, ich meine diese DLI. Ich finde, du solltest Anna nicht zum Blutspenden herbringen.«
    Aus keinem erkennbaren Grund hält der Fahrstuhl im elften Stock, die Türen öffnen und schließen sich wieder.
    Der Obdachlose fängt an, in seinen Plastiktüten zu kramen.
    Â»Als wir Anna bekommen haben«, rufe ich Brian in Erinnerung, »wußten wir,

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