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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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schüttele ungläubig den Kopf. »Eine Frau, die sich das Leben von verschimmeltem Käse ruinieren läßt.«
    Â»Von schlecht gewordener Sahne«, fügt Brian leise lachend hinzu.
    Â»Von welkem Salat. Du liebe Güte, wie kann sie das nur ertragen?« Wir müssen beide lachen. Wir stecken uns gegenseitig an und können uns bald kaum noch beruhigen.
    Und genauso plötzlich, wie das alles lustig war, ist es das nicht mehr. Wir leben nicht alle in einer Welt, wo der Kühlschrankinhalt das Barometer für persönliches Glück ist. Manche von uns arbeiten in Gebäuden, die um uns herum niederbrennen. Manche von uns haben kleine Mädchen, die todkrank sind. »Scheißsalat«, sage ich mit einem Knoten im Hals. »Es ist so ungerecht.«
    Brian schlingt die Arme um mich. »So ist das Leben nun mal, Schatz«, sagt er.
    Einen Monat später sind wir wegen einer dritten Lymphozytenspende im Krankenhaus. Anna und ich sitzen im Sprechzimmer des Arztes und warten, daß wir aufgerufen werden. Nach einigen Minuten zupft sie an meinem Ärmel. »Mommy«, sagt sie.
    Ich blicke zu ihr runter. Anna baumelt mit den Beinen. Auf den Fingernägeln hat sie Kates Glitterlack. »Ja?«
    Sie lächelt zu mir hoch. »Nur falls ich’s hinterher vergesse, es war gar nicht so schlimm, wie ich gedacht hab.« Eines Tages taucht meine Schwester unangekündigt bei uns auf und lotst mich, mit Brians Einverständnis, aus dem Haus und in eine Penthouse-Suite im Ritz Carlton in Boston. »Wir können machen, was du willst«, sagt sie. »Kunstmuseum, Stadtbummel, Abendessen im Hafen.« Aber was ich wirklich will ist einfach vergessen , und so sitze ich drei Stunden neben ihr auf dem Fußboden und leere unsere zweite sündhaft teure Flasche Wein.
    Ich hebe die Flasche hoch. »Für die hundert Dollar hätte ich mir ein Kleid kaufen können.«
    Zanne schnaubt. »Im Schlußverkauf vielleicht.« Ihre Füße liegen auf einem Brokatstuhl; der Rest von ihr rekelt sich auf dem weißen Teppichboden. Im Fernseher gibt Oprah Winfrey uns den Rat, unser Leben zu vereinfachen. »Außerdem, wenn du eine teure Flasche Pinot Noir pichelst, siehst du niemals dick aus.«
    Ich blicke sie an und tue mir plötzlich selbst leid.
    Â»Nein. Du weinst mir hier nicht. Weinen ist im Zimmerpreis nicht enthalten.«
    Aber mit einem Mal werde ich den Gedanken nicht los, wie albern sich die Frauen in Oprahs Show anhören, mit ihren vollgestopften Terminkalendern und Kleiderschränken. Ich frage mich, was Brian wohl zum Abendessen kocht. Ob es Kate gutgeht. »Ich rufe mal kurz zu Hause an.«
    Sie stützt sich auf einen Ellbogen. »Du darfst dir ruhig mal eine Pause gönnen. Du mußt nicht sieben Tage die Woche rund um die Uhr die Märtyrerin spielen.«
    Â»Das sind nun mal die Arbeitszeiten einer Mutter.«
    Â»Ich habe Märtyrerin gesagt, nicht Mutter.« Zanne lacht.
    Â»Wo ist der Unterschied?« sage ich halb schmunzelnd.
    Sie nimmt mir den Telefonhörer aus der Hand. »Hast du eigentlich schon deine Dornenkrone ausgepackt? Hör dir doch mal selbst zu, Sara, und laß endlich die Selbstmitleidstour. Ja, du hast ganz schön viel Pech im Leben. Ja, du bist wirklich nicht zu beneiden.«
    Meine Wangen färben sich leuchtendrot. »Du hast keine Ahnung, wie mein Leben ist.«
    Â»Du auch nicht«, sagt Zanne. »Weil du nicht lebst, Sara. Du wartest darauf, daß Kate stirbt.«
    Â»Das stimmt nicht –«, setze ich an, doch dann halte ich inne. Denn wenn ich ehrlich bin, stimmt es doch.
    Zanne streichelt mein Haar und läßt mich weinen. »Es ist manchmal so schwer«, gestehe ich, Worte, die ich noch zu niemandem gesagt habe, nicht einmal zu Brian.
    Â»Aber eben nicht immer «, sagt Zanne. »Kleines, Kate wird nicht früher sterben, weil du ein Glas Wein mehr trinkst oder weil du in einem Hotel übernachtest. Also setz dich wieder hin und dreh den Apparat lauter und benimm dich wie ein normaler Mensch.«
    Ich lasse den Blick durch den luxuriösen Raum gleiten, schaue auf die Spuren unseres dekadenten Weinkonsums und die Schokoladenerdbeeren. »Zanne«, sage ich und wische mir über die Augen, »das hier machen normale Menschen nicht.«
    Sie folgt meinem Blick. »Da hast du absolut recht.« Sie greift nach der Fernbedienung und zappt durch die Sender, bis sie irgendeine Talkshow

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