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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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findet. »So besser?«
    Ich muß lachen, und dann fängt sie auch an, und bald dreht sich der Raum um mich herum, und wir liegen auf dem Rücken und blicken hoch zur Stuckdecke. Plötzlich fällt mir ein, daß Zanne, als ich noch klein und sie schon ein Teenager war, auf dem Weg zur Bushaltestelle immer vor mir gegangen ist. Ich hätte laufen und sie einholen können – aber ich habe es nicht getan. Ich wollte ihr einfach nur folgen.
    Gelächter steigt auf wie Dampf, schwimmt durch die Fenster. Nach drei Tagen Dauerregen sind die Kinder froh, wieder nach draußen zu dürfen, und spielen mit Brian Fußball. Wenn das Leben normal ist, ist es unglaublich normal.
    Ich vollführe in Jesses Zimmer einen Slalom zwischen verstreuten LEGO-Steinen und Comic-Heftchen hindurch und lege ihm seine saubere Wäsche aufs Bett. Dann gehe ich in das Zimmer von Kate und Anna und sortiere ihre gefaltete Wäsche.
    Als ich Kates T-Shirts auf ihre Kommode lege, sehe ich es: Herkules schwimmt auf dem Rücken. Ich greife in das Glas und drehe ihn um, halte ihn am Schwanz fest. Er schlägt ein paarmal mit den Flossen und treibt dann langsam an die Oberfläche, mit dem weißen Bauch nach oben und nach Luft schnappend.
    Ich erinnere mich, daß Jesse gesagt hat, ein Goldfisch könnte bei guter Pflege sieben Jahre alt werden. Herkules hat nur sieben Monate geschafft.
    Ich trage das Kugelglas in mein Schlafzimmer, greife zum Hörer und rufe die Auskunft an. »Ich hätte gern die Nummer von Petco«, sage ich.
    Als ich die Tierhandlung an der Strippe habe, frage ich die Verkäuferin nach Herkules. »Möchten Sie vielleicht einen neuen Fisch kaufen?« fragt sie.
    Â»Nein, ich möchte den meiner Tochter retten.«
    Â»Ma’am«, sagt die junge Frau, »es geht um einen Gold fisch , oder nicht?«
    Also rufe ich bei drei Tierärzten an, von denen keiner Fische behandelt. Ich schaue Herkules eine weitere Minute bei seinem Todeskampf zu und rufe dann die ozeanographische Fakultät der Universität von Providence an, wo ich mit einem Dr. Orestes verbunden werde.
    Sein Forschungsgebiet, sagt er, sind Mollusken und Schalentiere und Seeigel, nicht Goldfische. Aber dann erzähle ich ihm von meiner leukämiekranken Tochter. Von Herkules, der schon einmal knapp dem Tode entronnen ist.
    Der Marinebiologe schweigt einen Augenblick lang. »Haben Sie sein Wasser gewechselt?«
    Â»Heute morgen.«
    Â»Es hat doch in den letzten Tagen viel geregnet, nicht?«
    Â»Ja.«
    Â»Haben Sie zu Hause einen Brunnen?«
    Was hat denn das damit zu tun? »Ja –«
    Â»Es ist nur eine Vermutung, aber einen Versuch wert, es
könnte sein, daß Ihr Wasser zu viele Mineralien enthält.
Füllen Sie das Goldfischglas mit Flaschenwasser, vielleicht
berappelt er sich dann wieder.«
    Also schütte ich Herkules’ Glas aus, mache es sauber
und fülle es mit Tafelwasser auf. Es dauert zwanzig Minuten,
doch dann schwimmt Herkules wieder seine Runden,
windet sich zwischen den Blättern der falschen Wasserpflanze
hindurch, und er frißt auch wieder.
    Eine halbe Stunde später kommt Kate und sieht, wie ich
Herkules zuschaue. »Du hättest das Wasser nicht zu wechseln
brauchen. Das hab ich doch heute morgen schon gemacht.«
    Â»Oh, das wußte ich nicht«, lüge ich.
    Sie drückt das Gesicht an das Kugelglas, so daß ihr
Lächeln vergrößert wird. »Jesse sagt, Goldfische können
nur neun Sekunden ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten«, sagt Kate, »aber ich glaube, Herkules weiß genau, wer
ich bin.«
    Ich berühre ihr Haar. Und frage mich, ob ich jetzt meine
Wunder aufgebraucht habe.
    ANNA
    Wer zu viel Verkaufssendungen guckt, glaubt irgendwann
die verrücktesten Sachen: daß sich brasilianischer Honig als
Enthaarungswachs eignet, daß du mit Messern Metall schneiden kannst, daß die Kraft des positiven Denkens dich wie zwei Flügel dorthin bringen kann, wo du hingehörst. Dank einem kleinen Anfall von Schlaflosigkeit und einer Überdosis Motivationstrainer Tony Robbins zwang ich mich eines Tages, mir vorzustellen, wie es nach Kates Tod sein würde. So wäre ich, wie Tony beteuerte, vorbereitet, wenn es wirklich passierte.
    Ich zog das wochenlang durch. Es ist schwerer, als man glaubt, sich die ganze Zeit in die Zukunft zu versetzen, erst recht, wenn deine Schwester weiterhin herumspaziert und wie immer

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