Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
aufdringliche Fragen stellt.
Als Nächstes habe ich einen Termin bei der Psychologin, aber ich muss dringend aufs Klo, und mir ist schon wieder schlecht. Ich flitze in eine furchtbar heruntergekommene Kneipe, in der es anscheinend keine Bedienung gibt.
Zwei Kerle, die am Tresen sitzen und Bier trinken, frage ich nach der Toilette.
Das Klo ist besetzt, und ich weiß nicht, ob ich mich zuerst übergeben oder mir in die Hose machen soll.
Haben die Leute denn nichts anderes zu tun? Ich überlege, wieder hinauszulaufen und ein anderes zu suchen, aber mir ist klar, dass ich es nicht bis zur Tür schaffen werde.
Ein enormer Fettkloß mit einer Anglerzeitschrift in der Hand kommt heraus.
Die Duftfahne, die ihm folgt, erklärt im Nu die Natur seiner langen Sitzung. Er reicht mir die Zeitschrift, ich sehe ihn an und halte mir mit beiden Händen den Mund zu.
»Hey, du bist doch wohl nicht zufällig schwanger, oder?«, witzelt er.
»Doch, und ihr sucht nicht zufällig eine Kellnerin, oder?«
»Doch, eigentlich schon.«
»Also, wenn es dir nichts ausmacht, mich für ein paar Monate schwarz zu beschäftigen - ich verlange lediglich freien Zugang zur Toilette.«
»Ist mir recht, ich hänge das ›Defekt‹-Schild davor, dann muss ich sie nicht mal putzen.«
»Einverstanden.«
Eilig mache ich mich auf den Weg zu Doktor Parson, obwohl ich nicht weiß, was mir der Besuch bei einer Psychologin nützen soll. Da ich aber inzwischen alle Freunde vergrault habe, warum nicht?
Die Adresse ist in der Bronx, und die Fahrt mit der U-Bahn dorthin dauert ewig.
Ich weiß schon jetzt, dass ich da nicht noch einmal hingehen werde.
Nach vierzigminütiger Fahrt und einem langen Fußweg betrete ich das, was ich mir in meiner kranken Phantasie als eine in zurückhaltender Eleganz eingerichtete Praxis in den Filmen von Woody Allen vorgestellt hatte, mit schwarzen Ledersesseln und von Freud persönlich unterzeichneten Diplomen an der Wand. Doch es ist nur eine schäbige Beratungsstelle in einem schlecht beleuchteten Souterrain.
Außer mir sitzen Menschen aller Hautfarben im Wartezimmer, alles Verzweifelte, die medizinische Versorgung oder psychologische Betreuung benötigen und keine Krankenversicherung haben.
Da sind schwangere Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm. Ein Typ, der mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin brabbelt. Eine uralte Frau, die ihre Umgebung vollquatscht und Fotos von ihren Söhnen in Militäruniform zeigt.
Nach fast einer Stunde bin ich dran. Diese Warterei hat mich noch weiter deprimiert.
Vielleicht gehört das zur Therapie: Sieh dir die andern an, denen es noch schlechter geht, dann kannst du wieder lachen.
Ich habe keine Lust zu lachen, und bin entsetzlich müde.
Wenigstens scheint Doktor Parson ein Mensch wie du und ich zu sein, der niemanden mit zur Schau gestellten Diplomen und Spezialausbildungen einzuschüchtern versucht.
Kurze Haare, Brille und eine schneeweiße Haut, die beinahe durchscheinend wirkt.
»Hallo, Monica, ich bin Louella, Sie schickt Doktor McEwan, stimmt’s?«
»Ja, er hält es angesichts meiner Situation für angeraten, dass ich mit einer Therapeutin spreche.«
»Gut. Möchten Sie mir ein bisschen von sich erzählen oder vielleicht über etwas Bestimmtes sprechen?«
Ich sehe sie an und blicke auf meine Hände, sie kommt mir so ruhig und gelassen vor, so selbstsicher, wie einer von diesen Menschen, die immer die richtigen Entscheidungen treffen, keine Zweifel oder Unsicherheiten kennen, was
ihre Zukunft betrifft. Die eine heile Familie hinter sich haben, wo man ihre Vorstellungen und Ideen von klein auf ernst genommen hat, mit einer starken, präsenten Mutter und einem zugänglichen, fürsorglichen Vater. Mit Eltern, die ihnen die Richtung gewiesen haben wie Leuchttürme im Dunkeln und immer noch jederzeit bereit sind, zuzuhören und Rat und Unterstützung zu geben. Bei denen zu Weihnachten alle in einem großen Haus zusammenkommen, Cider trinken und Lieder singen, während die Kinder im Garten eine Schneeballschlacht veranstalten …
»Monica? Alles in Ordnung? Sie wirken geistesabwesend.«
»Ja, ich überlege, wo ich anfangen soll.«
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Am besten ist es, erst einmal bei der Gegenwart zu bleiben. Die Gründe, die Sie zu bestimmten Entscheidungen bewogen haben, können wir später noch beleuchten. Aber wichtiger ist jetzt, was Sie von heute an tun werden und auf welche Weise das geschehen soll. Ich möchte Ihnen helfen, mit Ihrem Leben
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