Beim zweiten Mal kuesst es sich besser
nach Seattle gezogen war, lebte Bessie allein in ihrem großen Haus und kümmerte sich ebenso allein um ihre Bäckerei. Kate liebte ihre Großmutter und hatte sie lange nicht gesehen, also freute sie sich sogar auf ihren Aufenthalt. Als sie als Teenager mit Mutter und Großmutter unter einem Dach gewohnt hatte, war sie beinahe verrückt geworden. Bessie Hammond war gläubig und überfürsorglich – Attribute, die einer Enkeltochter in der Pubertät nicht wirklich Spaß machten, aber jetzt sehnte sich Kate danach. Sie wollte bemuttert und verhätschelt werden.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass ihre Großmutter vermut lich noch in ihrer Bäckerei war. Es war fünf Uhr nachmittags und einige wenige Passanten huschten von einem Geschäft in das andere. Obwohl Kate seit Jahren nicht mehr hier gewesen war, ahnte sie, dass es daran lag, dass heute Abend das wöchentliche Footballspiel der Highschoolmannschaft stattfand und die letzten Einkäufe getätigt wurden. In Texas glaubten die Menschen nur an drei Dinge: den lieben Gott, das Recht auf Waffen und an Football. Meistens stimmte die Reihenfolge nicht, da Football für viele Menschen noch vor dem Kirchgang kam. Was die Waffen betraf, blieben diese unangefochten auf dem ersten Rang. Selbst Kates Großmutter, eine gottesfürchtige Frau mit dem Hang zu mit Zuckerguss überzogenen Kuchen, bewahrte eine Schrotflinte in der Kammer neben dem Gäste-WC auf. Sie war eine waschechte Texanerin, auch wenn sie mit Football nie etwas hatte anfangen können. Kate dagegen hatte sich weder von der Religiosität ihrer Großmutter noch von der texanischen Waffenvernarrtheit anstecken lassen. Ihr einziges Laster war die Begeisterung für Highschoolfootball gewesen. Schuld daran war ihr erster Freund gewesen, der zum Stammspieler im Team der Highschool avanciert war. Wie Kate später erfahren hatte, war er sogar Profi geworden und hatte als Linebacker bei den Dallas Cowboys gespielt.
Kate verengte die Augen und schüttelte innerlich den Kopf. Hugh Lindsay war die letzte Person, an die sie jetzt denken wollte. Noch eine Erinnerung, die sie lieber weit weg schob.
Sie atmete kurz durch, sammelte ihre wirren Gedanken und stieg anschließend aus, bevor sie das Auto verriegelte und die Bäckerei ihrer Großmutter betrat. Als die Türklingel über ihr läutete, musste sie trotz allem lächeln, schließlich war der Laut ihr wohl vertraut. Früher hatte sie die Türklingel jeden Tag gehört, wenn sie nach der Schule in die Bäckerei ihrer Großmutter gegangen war, um ein Stück Kuchen abzustauben oder beim Backen zu helfen. Sogar die Gerüche waren die gleichen wie früher. Selbst die Einrichtung hatte sich nicht geändert. Immer noch sah der Laden wie eine kleine französische Patisserie aus. Alles wirkte etwas altmodisch, aber das machte den Flair der Bäckerei aus. Neben Broten aller Art verkaufte ihre Großmutter Torten, Gebäck und selbstgemachte Pralinen. Ein Blick auf die ausschließlich weiblichen Gäste an den Tischen zeigte Kate, dass die Naschereien reißenden Absatz finden mussten. Lächelnd sah sie sich nach ihrer Großmutter um, die ihren grauen Lockenkopf genau in diesem Moment in den Verkaufsraum steckte und begeistert aufkreischte.
„M eine Kate ist da!“ Der schrille Laut erschreckte nicht nur sie, sondern auch die meisten Gäste, die gleich herumfuhren, um Kate zu begutachten.
Bessie Hammond fegte trotz ihrer dreiundsiebzig Jahre flott durch das Geschäft, trocknete sich dabei die Hände an ihrer weißen Schürze ab und umarmte ihre Enkelin anschließend. Kate erwiderte die Umarmung ihrer Großmutter und zog den vertrauten Duft nach Rosenwasser und Hefe ein. Die blauen Augen ihrer Großmutter funkelten vor Aufregung, als sie Kate betrachtete. Dabei bildeten sich Fältchen um ihre Augen, aber ansonsten wirkte sie mindestens fünfzehn Jahre jünger, was auch an den vollen Wangen lag. Es hinterließ anscheinend Spuren, den ganzen Tag in einer Bäckerei zu arbeiten, bemerkte Kate lächelnd.
Es war typisch für ihre Großmutter, dass sie sofort auf das Offensichtliche zu sprechen kam. „Dieser Mistkerl hat dich gar nicht verdient! Ich habe Steven nie gemocht. Sei froh, dass du ihn los bist.“
Bevor Kate etwas erwidern konnte, kam Bessie richtig in Fahrt. „Kate, du bist furchtbar mager geworden. Gibt es in Los Angeles kein vernünftiges Essen?“
Seufzend dachte Kate daran, welche Mühe sie sich gegeben hatte, auf Zucker und ungesunde Kohlenhydrate zu verzichten, weil
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