Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
beobachtete, was geschah. Wie alles ablief. Wohin die Menschen gingen. Was sie sagten.
    Dann, als ich alles herausgefunden hatte, strich ich mir die Haare nach hinten, reckte mich und durchquerte die Lobby in Richtung Empfang.
    Die junge Frau an der Rezeption wirkte gepflegt und war gut gekleidet. Sie hatte ein schmales Gesicht, ein falsches Lächeln und glatte blonde Haare. Als sie mich die Lobby durchqueren sah, fragte ich mich, wie ich auf sie wohl wirkte. Du bist ein ganz gewöhnlicher junger Mann, sagte ich mir. Du hast eine ganz gewöhnliche Jacke und ein ganz gewöhnliches Hemd an und du trägst eine ganz gewöhnliche Aktentasche bei dir und einen ebenso gewöhnlichen Rucksack. Du bist völlig normal und sonst gar nichts. Und genau das sieht sie.
    »Guten Abend, Sir«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich hätte gern ein Zimmer.«

    Es war einfacher, als ich dachte.
    Sie stellte mir Fragen, ich beantwortete sie.
    »Für wie viele Nächte?«
    »Eine.«
    »Einzel- oder Doppelzimmer?«
    »Einzel.«
    »Raucher oder Nichtraucher?«
    »Nichtraucher.«
    »Zeitung am Morgen?«
    »Ja, bitte.«
    |74| »Welche?«
    »Irgendeine.«

    Der einzige heikle Teil war, als sie mich nach meiner Kreditkarte fragte. Ich hatte Kreditkarten. Die von Ryan und Kamal. Aber ich wollte sie nicht benutzen. Kreditkarten lassen sich zurückverfolgen und ich wollte niemanden auf meine Spur bringen.
    »Es gibt ein Problem mit meiner Karte«, erklärte ich der Frau mit einem müden Lächeln – jedenfalls hoffte ich, dass es so aussah. »Sie macht schon den ganzen Tag Probleme. Muss irgendein Computerfehler sein. Ist es in Ordnung, wenn ich bar zahle?«
    Sie zögerte einen Moment, dann lächelte sie und nickte. »Bar? Natürlich, bar ist okay. Wir brauchen nur eine Legitimation – Kreditkarte, Führerschein, Pass … irgendetwas in der Art. Und die Zahlung natürlich im Voraus.«
    »Natürlich.«
    Ich überlegte scharf, dachte blitzschnell nach, um mir klar zu werden, was ich tun sollte. Was könnte ich als Legitimation verwenden? Und was würde die Frau an der Rezeption damit machen? Wenn ich ihr eine Kreditkarte gäbe – würde sie die durch den Leseschlitz ziehen? Und wenn ja, würde Ryan es herausfinden? Was wäre, wenn ich Ryans Ausweis nähme? Nein, das war nicht gut, da war sein Passbild drauf. Kamals Führerschein? Nein, da war auch ein Foto drauf. Und davon abgesehen, welcher halbwegs klar denkende Mensch würde mir glauben, dass ich Kamal Ramachandran heiße? Was konnte ich noch benutzen? Meine Krankenversicherungskarte, Ryans Visitenkarte?
    »Es spielt keine Rolle, ob Ihre Kreditkarte defekt ist«, sagte die Frau. »Wir machen nur eine Kopie.«
    |75| Ich lächelte sie an. Mir war noch immer nicht klar, was ich tun sollte, doch ich wusste, wenn ich nicht bald handelte, würde sie langsam Verdacht schöpfen. Also zog ich, immer noch lächelnd, Ryans Brieftasche aus meiner Jacke, entschied mich für seine Amex-Karte, schaute schnell nach seiner Unterschrift auf der Rückseite, dann reichte ich sie hinüber.
    Die Frau an der Rezeption warf kaum einen Blick auf die Karte. Sie lächelte mich nur an, machte kurz eine Kopie und gab mir die Karte wieder zurück.
    Der Rest war einfach. Sie tippte in ihre Tastatur, gab mir ein Formblatt zum Ausfüllen und Unterschreiben – Ryans Unterschrift war bloß ein Gekritzel –, dann nahm sie mein Geld und das war’s.
    Zimmer 624, sechste Etage.
    Durch die Tür, dann den Flur entlang, der Lift ist auf der rechten Seite.
    Vielen Dank, Mr Ryan.
    Vielen Dank.

    Es war ein kleines Zimmer – Einzelbett, Schränke, Fernseher und Videorekorder, Badezimmer. Ich schloss die Tür hinter mir und warf mein Gepäck aufs Bett. Dann ging ich hinüber zum Fenster und schaute hinaus. Ich war auf der Rückseite des Hotels. Das Einzige, was ich sehen konnte, war eine schlichte Ziegelwand und darunter die Rückseite des Küchentrakts. Ich schaltete den Fernseher ein, klickte durch die Programme, dann schaltete ich ihn wieder aus. Ich ging ins Badezimmer, schaute mich um, nahm ein Glas von der Ablage über dem Waschbecken und ging wieder hinaus. Ich setzte mich aufs Bett und stellte das Glas auf |76| den Nachttisch. Auf dem Nachttisch stand ein Telefon. Ich starrte es eine Weile an und stellte mir vor, wie einfach es wäre, den Hörer abzunehmen und ein paar Tasten zu drücken …
    Hallo?
    Bridget? Ich bin’s, Robert –
    Robert! Wo steckst du? Was ist passiert …?
    Nein, es wäre überhaupt nicht

Weitere Kostenlose Bücher