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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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… diese fremdartigen Dinge in meinem Innern … wenn sie Realität waren …
    Was bedeutete das dann? Wozu machte es mich?
    Ich fühlte mich krank.

    Ich trank weiter Wodka und zwang mich, die einzige Frage zu bedenken: Wenn ich nicht normal bin, wenn ich kein menschliches Wesen bin … was bin ich dann? Was? Was
gibt
es denn sonst noch? Roboter? Cyborgs? Aliens? Androiden? Nein. Unmöglich. Nein. Nein. NEIN. Ich konnte nicht mal den Klang dieser Worte glauben. Das hier war die reale Welt. Das hier war Realität. Das hier war Essex in England. Das hier war keine Geschichte. Das hier war, verdammt noch mal, keine
Fantasy
.
    Ich konnte keine Maschine sein.
    Es war unmöglich.
    Völlig unmöglich.
    Und selbst wenn es
nicht
unmöglich wäre … selbst wenn es tatsächlich so etwas
gäbe
– Maschinen von unvorstellbarer Komplexität, humanoide Maschinen, Maschinen, die genauso aussahen und funktionierten wie ein Mensch – also, selbst dann … war es doch immer noch nicht möglich, dass
ich
so etwas war, oder?
    Das würde ich doch wissen, oder?
    Wissen …
    Oder?
    Sicher?
    Wieso
würde ich es wissen?
    |84| Wenn ich tatsächlich eine Art von Maschine war, eine Maschine, die genauso aussah und funktionierte wie ein Mensch, wie sollte ich dann wissen, dass ich
kein
menschliches Wesen war? Wenn ich aussah wie jeder andere, genauso ging wie jeder andere, genauso sprach wie jeder andere … wie sollte ich dann wissen, dass ich
nicht
wie jeder andere war?
    Was wäre der Hinweis, der es mir klarmachen würde?
    Trug ich irgendein Indiz in mir?
    Wie konnte ich es wissen? Kann man sich fragen, wer man ist, im Kern?
    Funkel, funkel, kleiner Stern …

    Ich war jetzt betrunken. Betrunken genug, um zu tun, was ich tun musste.

    Der Boden schwankte leicht, als ich vom Bett aufstand, aber ich war noch standfest genug, um zu funktionieren. Ich ging ins Badezimmer, holte ein paar Handtücher und einen Spiegel, dann ging ich zurück und setzte mich aufs Bett. Ich legte die Handtücher neben mich. Ich nahm noch zwei Schmerztabletten, einen weiteren großen Schluck … wartete, dass die Übelkeit nachließ. Dann knöpfte ich mein Hemd auf und schaute auf meinen zugenähten Bauch.
    Er sah aus wie ein Sonnenuntergang, ein hässlicher Sonnenuntergang – eine von Blutergüssen gelbe Sonne in einem weißhäutigen Himmel. Meine Haut. Eine Landkarte kranker Farben – Braunrot, Schwarz, stumpfes Rotbraun. Es gab verblichene Flecken um die Stiche, die Reste ausgelaufener Flüssigkeit. Wie Blut, nur dunkler. Wie getrocknete Rinnsale von Brombeersaft.
    |85| Ich feuchtete meinen Finger an und rieb vorsichtig an den Flecken. Meine Fingerspitze wurde rot. Ich betrachtete sie. Roch dran. Leckte an ihr. Es schmeckte nicht wie Brombeersaft. Es schmeckte sauer und metallisch, wie etwas aus einer anderen Welt.
    Es hätte alles sein können.
    Ich schaute hinab auf die frische Narbe auf meinem Bauch. Sie war leicht erhaben, wie eine wurmartige Wulst, kreuz und quer durchzogen von dunklen Stichen. Ich berührte sie. Die Stelle fühlte sich weich an und wund, aber die Berührung war nicht besonders schmerzhaft. Der Heilungsprozess hatte bereits begonnen.
    Meine Fingerspitze prickelte.
    Ich wandte mich dem Haufen chirurgischer Utensilien zu, die ich auf dem Bett ausgebreitet hatte – Spritzen, Nadeln, Skalpelle.
    Ich nahm ein Skalpell in die Hand.
    Ich bekam keine Luft.
    Ich lehnte mich etwas zurück und breitete die Handtücher um meinen Körper aus.
    Ich postierte den Handspiegel auf meiner Bauchdecke, direkt unterhalb der Wunde.
    Jetzt war ich bereit.
    Mit dem Skalpell fest in der Hand, wählte ich probeweise die Schlaufe von einem Stich. Der Faden riss. Es tat ein bisschen weh, doch nicht sehr. Der Alkohol hatte mich betäubt. Ich nahm mir den nächsten Faden vor. Das Skalpell durchtrennte ihn – ganz leicht –, dann noch einen und noch einen und noch einen. Ich machte weiter, bis alle Fäden durchtrennt waren.
    Ich hatte das Verlangen, mich auszuruhen, aber ich wusste, dass |86| ich dranbleiben musste. Wenn ich jetzt aufhörte, würde ich es nie tun.
    Ich legte das Skalpell weg, fasste den Faden, wo er durchtrennt war, und zog. Er saß fest. Ich zog ein bisschen kräftiger, spürte jetzt den Schmerz und dann kam der Faden. Hopp. Ein gerötetes Einstichloch blieb zurück. Schnell, aber vorsichtig zog ich die restlichen Fäden. Einen, zwei, drei, vier, fünf, sechs …
    Als ich fertig war, war die Wunde zwar gelöst, aber immer noch geschlossen.

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