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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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halten.
    Schokoladenriegel, Wasser, Paracetamol – links. Straßenkarte – links. Ryans Brieftasche und Messer – links. Alte Klamotten – rechts. Kamals Brieftasche – links. Autoschlüssel – rechts. Bargeld – links. Fotoaufnahmen – Mitte. Video – Mitte.
    Links, rechts.
    Rechts, links.
    Mitte, Mitte, Mitte.

    Im Papierkorb hing ein Plastikbeutel. Ich nahm den ganzen Krempel des rechten Haufens und packte ihn in den Beutel, dann stellte ich ihn in die Ecke. Die Pistole, die Straßenkarte und alles andere vom linken Haufen packte ich in den Rucksack. Dann |80| überlegte ich mir das mit der Pistole wieder anders, holte sie aus dem Rucksack heraus und deponierte sie auf dem Nachttisch.
    Was war noch übrig? Video, Fotoaufnahmen, Spritzen, Nadeln, Skalpelle.
    Es war jetzt fast so weit.
    Ich legte das Endoskopie-Video in den Rekorder und setzte mich mit der Fernbedienung in der Hand aufs Bett. Ich trank weiter Wodka mit Cola. Der Alkohol wirkte allmählich, er machte, dass mir übel wurde und ich mich taub und benommen fühlte. Er machte, was er sollte.
    Ich starrte auf den leeren Bildschirm. Graugrün. Mein Daumen schwebte über der PLA Y-Taste .
    Was immer du siehst, sagte ich mir, was immer da ist … es gibt tausend Möglichkeiten, dass das nicht du bist.
    Ich dachte … denk nicht nach.
    Ich trank weiter … und drückte auf PLAY.

    Der Bildschirm wurde weiß, flackerte, dann erschien das Bild. Auf dem Schirm bewegte sich das Endoskop in mir wie ein elektrisches Auge. Ich sah Dinge, die ich nicht verstand. Schwarze Dinge, graue Dinge, verschwommen und formlos. Dann wurde auf einmal alles scharf und ich sah bestimmbare Formen. Einen Schlauch, glatt wie Metall, glatt wie Kunststoff. Gedämpftes Silberweiß, das im Licht des Kameraauges dunkel glänzte. Die Wände des Schlauchs waren von winzigen asymmetrischen Gittern überzogen wie … wie nichts, was ich jemals gesehen hatte. Verworrene Muster aus Punkten und Linien, Kreisen und Wellen. Dünne Härchen bewegten sich wie kleine Würmer zu der Strömung von etwas Unsichtbarem …

    |81| PAUSE.

    Es gab zu viel anzuschauen. Schön, erschreckend, unbegreiflich. Übelkeit erregend. Das angehaltene Bild flimmerte auf dem Schirm. Es hätte alles sein können: organisch, technisch, lebendig … Metall, Kunststoff, Kohlefaser, Fleisch.
    Es war ich.
    So stand es am unteren Bildrand: 281105SMITH-R1042-ANDREWS.
    Es war ich.
    Ich legte meine Hand auf die Brust und fühlte nach, wo mein Herz sitzen müsste. Wie fühlte es sich an? Jedenfalls nicht verkehrt. Aber was weißt du schon, wie du dich anfühlen solltest?

    PLAY.

    Das Bild lief mit einem Ruck wieder an, das elektrische Auge bewegte sich weiter und kroch hinab durch eine dünne, gazeartige Membran und hinaus in den oberen Teil einer Art Kammer. Ein, zwei Sekunden wurde das Kameralicht schwächer und dann – mein Gott! – war ich im Innern einer wunderlichen Höhle. Ich war in ihr und sie in mir. Das Licht des Auges bewegte sich langsam. Atemlos sah ich zu, wie die innere Struktur zum Vorschein kam. Ein Raum unbekannten Ausmaßes, geformt wie eine breitschultrige Flasche, mit unregelmäßigen Wänden aus geschwärztem Leder. Eine Höhle, gefüllt mit fantastischen fremdartigen Mechanismen, die sich bewegten und umherwirbelten: Fäden, Streben, Kristalle, Schlaufen, Stützen, Schläuche, Ventile, Bänder, |82| Hüllen, Gräben, Tunnel, Adern, unzählige schimmernde Partikel …

    Worte bedeuten nichts. Diese Dinge lagen jenseits aller Beschreibung. Sie bewegten sich ohne Bewegung. Sie waren feste Flüssigstoffe und flüssige Festkörper. Sie waren mit und ohne Form oder Farbe. Sie waren unbegreiflich.

    PAUSE

    Als das Bild stand, tanzten die Nachbilder in meinem Kopf umher. Partikel, Sphären, Scheiben, Stangen, Kegel, Zylinder, Fäden, Sterne. Kristalline Verbindungen mit strahlenden Splittern. Bauteile in einer Struktur. Eine Struktur von Bauteilen. Ein subatomarer Dom, eine dunkle Kathedrale, eine perfekte Scheußlichkeit.
    In meinem Innern.
    In mir.
    Es war ich.

    Ich spulte das Band zurück und spielte es wieder ab.
    Ich spulte das Band zurück und spielte es wieder ab.
    Und wieder.
    Und wieder.
    Und wieder.

    Wie konnte das sein?
    Es gab keine fassbare Erklärung.
    Das musste ein Irrtum sein. Ein Witz. Ein übler Scherz. Ein Trick. Ein absurdes Missverständnis.
    |83| Es
musste
.
    Denn wenn nicht … wenn nicht …
    Ich musste das akzeptieren. Wenn es
kein
Irrtum war, wenn das, was ich gesehen hatte

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