Being
Blutergüsse, besudelt von Albtraumfarben – Gelblichschwarz, Braun, Rot, Tintenblau, runzligem Rosa. Aber immerhin war die Wunde geschlossen. Was auch immer in mir war, es war wieder in mir.
Versteckt.
Zum Schluss, während meine Gedanken weitertaumelten, gab es noch eines zu tun. Nur um sicher zu sein. Ich nahm das blutbefleckte Skalpell in meine rechte Hand, ballte meine linke zur Faust, streckte den Arm nach vorn, dann drückte ich die Klinge in den fleischigen Teil und zog sie langsam nach vorn. Ein breiter roter Spalt öffnete sich. Mein Herz schrie dumpf. Ich hob den Arm vors Gesicht und betrachtete den Schnitt. Unter dem strömenden Blut war ein leuchtendes Zittern hellweißer Flüssigkeit mit einem schwarzen Glanz benetzt, wie Milch von Öl. Ich wischte mit einem Handtuch das Blut weg und schaute genauer hin. Ich sah etwas |90| Metallisches in der Flüssigkeit pulsieren. Ich sah Rotes, Silbernes, ein Aufblitzen winziger Sterne. Ich sah die Schatten silberner Knochen.
Ich schaute weiter. Gebannt.
Nach einer Weile – zehn, fünfzehn Minuten – wurde das Blut dunkel und fing an zu gerinnen. Sichtbar begann das Fleisch zu trocknen. Schon bildete sich Schorf.
Zwanzig Minuten.
Die Wunde war geschlossen.
Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es unnötig war, riss ich den Ärmel aus Ryans Hemd und wickelte ihn straff um meinen Arm.
Es war fast halb drei Uhr morgens. Ich lag auf einem blutbefleckten Bett in der sechsten Etage des Hotels Paradise und wusste nicht, was mit mir geschah. Ich blutete. Ich war betrunken. Ich war erschöpft.
Ich wollte schlafen, doch ich wusste, ich konnte nicht.
Ich hatte zu viel Angst.
Angst vor dem, was in mir war.
Angst vor mir.
|91| Sieben
D er Rest der Nacht war ein anhaltender Nebel. Ich habe keine Ahnung, was ich tat. Ich habe keine Ahnung, ob ich schlief oder nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube, dass ich eher nicht schlief. Wahrscheinlich bin ich ein paarmal weggedöst, aber das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Bett saß und mich in eine schlaflose Leere dachte.
Wieder und wieder ging ich alles durch, was geschehen war – versuchte, es zu verstehen, einen Sinn zu erkennen, es als Realität zu begreifen –, doch egal wie oft ich darüber nachdachte, egal wie sehr ich mich fragte, ich fand keine Antworten.
Wie war es passiert?
Wie konnte es überhaupt passieren?
Wie konnte ich etwas anderes sein?
Wieso sollte ich etwas anderes sein?
Wer ist Ryan?
Was ist er?
Was will er?
Wo kam er her?
Was bedeutet das alles?
Die Fragen brachten mich nicht weiter. Sie wirbelten nur durch |92| meinen Kopf wie gestaltlose Objekte in einem Wirbelsturm, brüllend und kreiselnd, sich duckend und drehend, bis ich schließlich gar nicht mehr wusste, worüber ich eigentlich nachdachte.
Alles war zu viel, zu vage, zu unmöglich.
Ich konnte nicht mehr.
Ich musste an etwas anderes denken, etwas, das Bedeutung hatte.
Ich musste darüber nachdenken, was ich
tun
sollte.
Es war jetzt halb sieben Uhr morgens. Ich rieb mir die Müdigkeit aus den Augen und starrte das Hotelzimmer an. Ein träges graues Licht sickerte durch die Vorhänge und ließ alles stumpf und leer erscheinen, wie ein Bild in einer alten Zeitschrift. Das Zimmer war ein Desaster. Überall war Blut – auf dem Bett, an den Handtüchern, auf dem Boden. Überall lag Zeug rum, Stapel Papiere und Fotoaufnahmen, leere Essenspackungen, Kleidung, Brieftaschen, Spritzen, Skalpelle. Die Luft roch übel – eine schale Mischung aus Alkohol, Blut, Erschöpfung und Angst.
Was wirst du tun?
Ich wusste, hier konnte ich nicht bleiben, nicht bei all dem Chaos, das ich angerichtet hatte. Das Zimmer sah aus wie ein Schlachthof. Sobald die Zimmermädchen kämen, würde es Fragen geben und Fragen wollte ich nicht. Also war klar, ich musste weg. Doch wohin? Wohin konnte ich? Ich wollte nur an einen einzigen Ort – zurück zu Bridget und Pete. Aber das war unmöglich. Ryan würde sie überwachen. Er hatte garantiert Leute abgestellt, die das Haus und Petes Büro beobachteten. Garantiert hatte er Bridgets und Petes Telefone angezapft. Wo immer sie hingingen, was immer sie taten, mit wem sie auch telefonierten – Ryan wusste |93| Bescheid.
Also … wo konnte ich hin?
Ich hatte keine Familie.
Ich hatte keine Freunde.
Ich hatte keinen Zufluchtsort.
Es gab nichts, wo ich hinkonnte.
Während ich dasaß und versuchte, mir etwas zu überlegen, spürte ich, wie die Hotelgeräusche in mein Gehirn
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