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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Mantel. Er sprach mit jemandem über ein Funkgerät in seiner Hand. Polizeiwagen standen im Halteverbot vor dem Hotel – zwei Streifenwagen, ein Ford Transit und ein Range Rover.
    Ich trat zurück in den Durchgang, wischte mir etwas Schweiß von den Augenbrauen, dann beugte ich mich wieder vor und guckte noch einmal.
    Jetzt öffnete sich die Eingangstür. Ein vertrauter Kopf schaute heraus und sagte etwas zu dem Mann im Mantel. Der Mann hörte zu, nickte und der Kopf des andern zog sich wieder zurück.
    Ryan.
    Der Mann im Mantel sagte etwas zu einem der Polizeibeamten, dann ging er die Stufen hinab und ließ seinen Blick die Straße entlangschweifen. Ich wartete, bis er von mir wegschaute, dann trat |104| ich aus dem Durchgang, wandte mich nach rechts und schritt so selbstsicher aus, wie ich nur konnte. Kein Zögern, kein Rennen, kein Blick zurück. Ich war einfach einer der vielen Passanten. So wie die andern. Auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit … nur ein weiterer Mensch.
    Ein kleines Stück von mir entfernt hielt an einer Haltestelle ein Bus. Als die Türen mit einem Zischen aufgingen und sich eine ungeordnete Menschenschlange vorwärtsschob, stellte ich mich hinten an und rückte mich mit den andern Schritt für Schritt nach vorn. Bloß ein weiterer Fahrgast auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit. So wie all die andern. Wir rochen nach Schweiß und feuchter Kleidung. Wir schoben uns vor, machten winzige Schritte, rückten langsam auf den Bus zu. Wir waren ungeduldig und müde, fröstelnd und nass.
    Ich rieb mir müde die Wange und riskierte dabei einen kurzen Blick in Richtung Hotel.
    Inzwischen liefen mehr Leute am Eingang herum. Mehr Leute, mehr suchende Blicke. Mehr Wagen hielten. Während ich hinsah, liefen ein paar Männer auf den Durchgang zu.
    Passanten blieben stehen und glotzten.
    Ich hörte einen Ruf, das kurze Aufjaulen einer Polizeisirene, Straßengemurmel.
    »Was ist denn da los?«, fragte jemand in der Warteschlange vor dem Bus.
    Ich hielt den Kopf gesenkt und schob mich weiter vorwärts. Die Schlange wurde kürzer. Ich war jetzt fast da.
    Ein weiterer Ruf drang vom Hotel herüber. »Hinten herum!«
    Ich stieg in den Bus.
    Der Mann vor mir warf ein paar Münzen in die Geldschale des |105| Fahrers.
    »Stratford«, sagte er.
    Der Fahrer drückte Knöpfe.
    Der Mann nahm sein Ticket.
    Und jetzt war ich dran. Ich hatte keine Vorstellung, wo ich hinwollte. Ich wusste ja nicht einmal, wo ich war. Der Fahrer sah mich an.
    »Stratford«, sagte ich zu ihm und warf ein paar Münzen in die Schale.
    Er drückte Knöpfe.
    Ich nahm das Ticket.
    Die Türen schlossen sich, der Bus ruckte an und dann waren wir fort.
    Ich schob mich durch den Gang und setzte mich.

    Die Bushaltestelle lag auf der gleichen Straßenseite wie das Hotel und mir war klar, dass wir direkt daran vorbeifahren würden, was ziemlich dämlich war. Ich hoffte nur, dass Ryan und seine Leute mich nicht für dämlich hielten. Ich hoffte, sie würden davon ausgehen, dass ich mich vom Hotel entfernte und nicht darauf zufuhr.
    Das war meine Hoffnung.
    Wie auch immer, als der Bus das Hotel erreichte, verbarg ich mein Gesicht und wandte mich vom Fenster ab … doch dann merkte ich, dass alle andern Fahrgäste neugierig aus den Fenstern starrten und sehen wollten, was sich an dem Hotel tat, wodurch ich irgendwie auffiel. Und ich wollte nicht auffallen. Aufzufallen war auffallend. Auffallend war schlecht. Also zog ich die Hutkrempe tiefer, tat, was alle taten, und schaute aus dem Fenster auf |106| das Hotel.
    Vor dem Eingang wimmelte es jetzt vor Menschen. Polizisten in Uniform, Hotelangestellte, Ryans Leute, Hayes … und dort, allein inmitten des ganzen Aufruhrs, stand Ryan selbst. Silberäugig und wachsam. Reglos. Wie ein buddhistischer Attentäter. Ohne die Augen zu bewegen, bellte er jemandem neben sich ein Kommando zu und sofort hob der andere sein Funkgerät ans Ohr und gab den Befehl weiter.
    Macht.

    Ryan musste Macht haben. Wer sonst als ein mächtiger Mann konnte in den Zeitungen eine Falschmeldung unterbringen. Und er musste auch raffiniert sein. Er wusste, er konnte dem Rest der Welt nichts von einem sechzehnjährigen Jungen erzählen, der kein Mensch war, also hatte er den Jungen mal eben in einen Mörder verwandelt. Jeder hasst Mörder. Also hatte Ryan den Rest der Welt auf seiner Seite.

    Der Bus fuhr weiter, am Hotel vorbei, und als ich sicher war, dass mich niemand gesehen hatte, und immerhin einigermaßen sicher, dass mir niemand folgte,

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