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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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    Wie?
    Was?
    Aber ich wusste, ich hatte keine Zeit nachzudenken. Ich war kein gewöhnlicher junger Mann mehr. Ich war ein Mörder. Ich war auf der Titelseite des
Daily Express
. Leute hatten mich gesehen – die Frau an der Hotelrezeption, Leute auf der Straße, Leute im Zug – sie würden bei der Polizei anrufen. Die Polizei würde Ryan anrufen … er konnte jeden Moment hier sein.
    Ich räumte meinen Kopf frei und kam in die Gänge.
    Schuhe an, Jacke an, Pistole in die Tasche. Ich lief im Zimmer umher, schnappte ein paar Kleidungsstücke und warf sie in den Rucksack, dann blieb ich einen Augenblick stehen und warf einen Blick auf die restlichen Sachen – die Unterlagen, die Fotoaufnahmen, das Video, die Skalpelle – und überlegte, ob ich irgendwas |97| mitnehmen sollte oder nicht.
    Ich stopfte die Videokassette in den Rucksack, alles andere ließ ich da, und durchquerte das Zimmer. Ich blieb kurz stehen und horchte an der Tür, dann öffnete ich sie. Der Flur war leer. Ich schob meine Hand in die Tasche mit der Pistole, trat hinaus auf den Gang und blieb wieder stehen.
    Welche Richtung sollte ich nehmen?
    Die Fahrstühle waren links, das Treppenhaus rechts.
    Komm schon, denk nach.
    Welche Richtung? Links oder rechts?
    Ich wandte mich nach rechts und ging Richtung Treppen.
    Gerade als ich das Treppenhaus erreichte, hörte ich von unten Schritte. Eilige Schritte, die die Treppe heraufkamen. Ich ließ die Tür los, trat zurück und suchte den Flur nach einem anderen Fluchtweg ab. Ich sah zu den Fahrstühlen hinüber, dann wieder zum Treppenhaus.
    Die Fahrstühle waren ein zu großes Risiko.
    Vielleicht konnte ich die Treppe nach
oben
nehmen …?
    Dann sah ich die Tür. Sie befand sich gleich hinter dem Treppenhaus. Eine Tür mit Glaseinsatz und einem Schild: KEIN ZURTRITT – NUR FÜR PERSONAL. Ich dachte nicht lange nach, lief eilig hin, warf einen Blick durch die Glasscheibe, drückte die Tür auf und trat in einen kalten, dunklen Gang. Als die Tür zuschwang, hörte ich hinter mir das ferne
Kling
des Fahrstuhls, der eben hier auf dem Stockwerk ankam. Ich drehte mich um, kauerte mich an der Tür nieder und starrte durch die Glasscheibe. Am Ende des Flurs traten zwei Gestalten aus dem Fahrstuhl. Die eine war eine Frau mit scharfem Blick in einem cremefarbenen Regenmantel. Die andere war Ryan. Schwarzer Mantel, hartes Gesicht, |98| kalte Silberaugen. Als er sich umwandte und etwas zu der Frau sagte – sie musste wohl Hayes sein –, betrat eine dritte Gestalt vom Treppenhaus aus den Flur. Ein dunkelhaariger Mann im Anzug. Er ging direkt an mir vorbei den Flur entlang und blieb vor Zimmer 624 stehen.
    Ich duckte mich, außer Sicht, dann drehte ich mich um und kroch von der Tür weg. Nach ungefähr zehn Metern stand ich auf und rannte den Gang entlang, durch eine weitere Tür, dann einen anderen, kurzen Gang weiter zur nächsten Tür und eine Zickzack-Treppe hinunter.

    Während ich die Treppe hinunterjagte – wo meine Schritte von den kalten Steinwänden widerhallten –, spürte ich, wie sich ein taubes Gefühl von Kranksein in mir breitmachte. Es war kein körperliches Kranksein, sondern nur so ein plötzliches Begreifen, dass das, was mir geschah,
wirklich
geschah. Ich rannte. Ich wurde gejagt. Ich wurde verfolgt. Das hier war echt. Es hatte nichts mit einer Film- oder Buchszene oder irgendeiner Traumsequenz zu tun. Es war nicht spannend. Es war nicht lustig. Es war kein Spiel.
    Es war einfach scheiße.

    Am Fuß der Treppe befand sich eine weitere Tür, auf ihr stand PRIVAT. Es war ein ziemlich tristes Teil, fast ohne Farbe, mit einer abgegriffenen Messingklinke und einer unten angenagelten, reichlich verschlissenen Gummileiste. Ich schob die Tür auf und landete in einem schmierigen kleinen Raum mit einer Reihe grauer Spinde an den Wänden. Das musste der Personalraum sein.
    |99| Es gab einen Tisch, Stühle, einen Wasserkocher, ein Spülbecken. Auf der andern Seite des Raums war noch eine Tür. Während ich auf sie zuging, griff ich nach oben und schnappte mir einen Filzhut von einem der Spinde. Ich setzte ihn auf. Er passte genau. Eine lächerliche Verkleidung zwar, aber immerhin saß er gut.
    Ich war schon halb durch die Tür, als ein ferner Ruf die Stille durchbrach: »Angela!«
    Eine Männerstimme. Sie kam aus dem Gang draußen. Ich hörte Schritte näher kommen, dann wieder die Stimme, die rief: »Angela! Wo steckst du?«
    Ich schoss durch die Tür, den dämmrigen Gang entlang, durch eine weitere

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