Being
Ryan.
»Wo sind
Sie
?«
Er lachte leise. »Das sage ich dir, wenn du
mir
sagst, wo du bist.«
»Wohl kaum.«
Kurze metallische Klickgeräusche klangen durch die Leitung, wie von einem Zahnrad. Im Hintergrund hörte ich ein dünnes, fernes Wimmern.
»Wo ist Morris?«, fragte mich Ryan.
|235| »Wer?«
»Was hast du mit ihm gemacht?«
»Ich hab gar nichts gemacht.«
Ryan seufzte. »Du hast eine Menge Probleme, Robert.«
»Ich weiß.«
»Sag mir, wo du bist. Dann können wir drüber reden.«
»Wir können jetzt drüber reden.«
»Okay, wenn du willst.«
»Verfolgen Sie den Anruf zurück?«
»Du sprichst von einem Handy aus. Damit bist du fürs Erste einigermaßen sicher.«
»Woher weiß ich, dass Sie nicht lügen?«
»Gar nicht.«
Ich dachte ein paar Sekunden nach und überlegte, ob er
tatsächlich
log oder nicht, doch es gab keine Möglichkeit, es an seiner Stimme zu erkennen. Sie war kaltblütig, ausdruckslos, leer.
»Wo sind Sie?«, fragte ich ihn wieder.
»Warum willst du das wissen?«
»Sagen Sie mir, wo Sie sind, oder ich lege jetzt auf.«
Eine Weile sagte er nichts. Ich wartete und starrte stur geradeaus. Ich konnte spüren, wie Eddi mich beobachtete und im Stillen drängte, den Anruf zu beenden. Ich wollte sie nicht ansehen. Ich wollte mich auf Ryan konzentrieren. Ich glaubte nicht, dass er mir sagen würde, wo er war, und selbst wenn, dann log er wahrscheinlich. Aber das war nicht wirklich wichtig. Ich wollte einfach hören, was er sagte.
»Ich bin in London«, sagte er schließlich.
»Nein, sind Sie nicht.«
»Wieso sollte ich lügen?«
|236| »Wo in London? Wie ist die Adresse?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Warum nicht?«
Er seufzte. »Wir sind am Queen Anne’s Gate, SW1.«
»Welche Hausnummer?«
»Es gibt keine Hausnummer. Das ist nur ein Gebäude, ein Bürohaus.«
»Was machen Sie da?«
»Arbeiten.«
»Was arbeiten? Was tun Sie?«
»Wir spüren Dinge auf.«
»Was denn?«
»So was wie dich.«
»Wer ist
wir
? Für wen arbeiten Sie?«
»Robert, hör zu –«
»Was, glauben Sie, bin ich?«
»Wie?«
»Was, glauben Sie,
bin
ich?«
»Wie meinst du das?«
»Sie wissen genau, wie ich das meine.«
»Tut mir leid, Robert. Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Doch, das wissen Sie.«
Er schwieg einen Moment, dann sagte er: »Ist noch jemand bei dir?«
»Hören Sie«, erklärte ich ihm, »ich weiß nichts über all das hier. Verstehen Sie? Sie
glauben
, ich weiß was, aber das stimmt nicht. Ich weiß überhaupt nichts.«
»Du weißt nichts worüber?«
»Über irgendwas, über alles …« Für einen Moment schloss ich |237| die Augen und versuchte zu überlegen. Ich wollte Ryan fragen, was er über mich wusste – was ich war, woraus ich bestand, woher ich kam –, doch ich konnte mich nicht einfach outen und es aussprechen, nicht wenn Eddi zuhörte.
»Robert?«, sagte Ryan in den Apparat. »Robert … bist du noch dran?«
»Was war das Ding in mir drin?«, fragte ich ihn.
»Wie bitte?«
»In mir drin … was ist das?«
»Wovon sprichst du?«
»Sagen Sie es mir einfach.«
Er seufzte wieder und diesmal klang es sogar ein Stück weit ehrlich. »Was du sagst, ergibt keinen Sinn, Robert. Ich glaube, du bist ein bisschen verwirrt .«
»Wo ist Bridget?«, fragte ich ihn.
»Bridget geht es gut.«
»Wo
ist
sie?«
»Keine Ahnung … zu Hause wahrscheinlich. Wo sollte sie sonst sein?«
Da spürte ich Eddis Hand auf meinem Arm, und ohne nachzudenken, sah ich hinüber zu ihr.
Schluss, aus
, sagte sie mit den Lippen.
Leg jetzt endlich auf …
Ich schüttelte ihre Hand von meinem Arm und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Ryan zu.
»Wieso hast du ihn umgebracht, Robert?«, fragte er.
»Was?«
»Wieso hast du ihn umgebracht?«
»Wen?«
»Dr. Casing.«
|238| »Ach ja«, sagte ich, »davon hab ich in der Zeitung gelesen. Sehr gut. Übrigens, er ist Professor, nicht Doktor.«
»Er war.«
»Er war Professor. Kamal hat es mir erzählt. Chefarzt der Chirurgie. Facharzt für Gastroenterologie.«
»Wer ist Kamal?«
»Ich weiß, was Sie versuchen.«
»Ich versuche gar nichts. Ich will dir nur helfen. Schau mal, wenn du dich jetzt stellst, wird ein guter Anwalt für dich ein Urteil wegen Totschlags durchsetzen. Du kriegst zehn, höchstens fünfzehn Jahre. Wahrscheinlich kommst du nach der Hälfte schon wieder auf freien Fuß. Aber wenn du weiterhin wegläufst, machst du alles nur noch schlimmer für dich. Du kannst nicht für immer weglaufen, Robert. Wir werden
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