Being
überhaupt irgendwas erzählt?«
»Nicht wirklich …«
»Was war, als du ihn gefragt hast, wo er steckt?«
»Er hat gesagt, er ist in London – Queen Anne’s Gate, SW1. Bestimmt war das auch gelogen.«
»Queen Anne’s Gate?«
»Ja.« Ich sah sie an. »Kennst du die Adresse?«
»Das Innenministerium ist am Queen Anne’s Gate.«
»Was bedeutet das?«
»Keine Ahnung.« Sie zuckte die Schultern. »Kann alles bedeuten. Er kann gelogen haben, dann bedeutet es nichts. Oder er hat die Wahrheit gesagt, dann könnte es bedeuten, er arbeitet für die Regierung.«
»Warum sollte er mir die Wahrheit sagen?«
»Damit du nach ihm suchst. Er sagt dir, wo er ist, du suchst nach ihm und er erwartet dich. Bestimmt hat er Kameras und Wachposten. Du hättest keine Chance.«
»Nicht mal, wenn du dabei wärst?«
Sie lächelte. »Was glaubst du eigentlich, was ich bin – bescheuert?«
Um zehn erreichten wir schließlich Leeds. Es hatte wieder angefangen zu regnen und die Straßen der Stadt wirkten bei Nacht kalt |247| und abweisend. Ich war müde und hatte Hunger. Ich wollte wissen, wann wir anhalten würden und wo, aber ich hatte keine Lust zu fragen. Ich hatte genug vom Reden. Ich war den Klang meiner eigenen Stimme leid. Also saß ich bloß da und sah zu, wie die Straßen vorbeizogen.
Wir fuhren weiter und folgten den Schildern zum Flughafen. Nach einer Weile sah ich in der Ferne vor uns die Lichter niedrig fliegender Maschinen aufblitzen. Als der Flughafen näher kam, hörte ich das Dröhnen von Maschinen, die über uns hinwegflogen, und so langsam kam bei mir an, dass das, was wir taten und wohin wir unterwegs waren, Wirklichkeit war. Wir würden das Land verlassen.
Ich
würde das Land verlassen … mit einem Mädchen, das ich kaum kannte. Ich flog irgendwohin, mit irgendwem, und ich wusste nicht so recht, wie ich das fand.
Dann bremste Eddi, ich schaute hoch und sah, dass wir auf den Vorplatz eines Hotels fuhren …
Und ich spürte allmählich noch eine andere Wirklichkeit.
Es war nur noch ein Zimmer frei – ein Luxus-Doppelzimmer.
»Ist leider ziemlich teuer«, sagte die Frau an der Rezeption. »Aber es ist das einzige, das wir um diese Zeit noch anbieten können. Wenn Sie früher reserviert hätten …«
»Wir nehmen es«, sagte Eddi und reichte ihr eine Kreditkarte.
Während die Frau etwas in ihren Computer eingab und Eddi ein Formblatt ausfüllte, nahm ich mir den
Daily Mirror
, der dort auslag, und blätterte ihn durch. Ich fand nichts über mich – kein Foto, keinen Artikel, keine Lügen.
»Danke, Mrs Rogers«, sagte die Frau zu Eddi. »Das Zimmer ist auf der zweiten Etage. Hier vorn durch die Tür und dann den Flur |248| entlang, der Fahrstuhl ist auf der rechten Seite.«
Ich steckte die Zeitung unter den Arm und wir trugen unsere Taschen ins Zimmer hinauf.
»Wie eine Mrs Rogers siehst du aber nicht aus«, sagte ich zu Eddi, als sie die Tür öffnete.
»Nicht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab mal eine gekannt. Sie war Putzfrau in einem der Heime. Eine unförmige, gedrungene Alte mit einem großen, haarigen Leberfleck im Gesicht. Alle haben sie Kenny genannt.«
»Wieso?«
Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
Wir traten ein und Eddi schloss hinter uns die Tür. Es war ein großes Zimmer – Doppelbett, haufenweise Schränke, Flachbildfernseher, Kühlschrank, Sessel, Schreibtisch, Sofa. Das Badezimmer blitzte in Chrom und Glas und zwei Bademäntel lagen auf dem Bett bereit. Ich sah zu, wie Eddi zum Fenster hinüberging und den Rand des Vorhangs zur Seite schob. Wir waren auf der Vorderseite des Hotels. Ich konnte Autoscheinwerfer sehen, die draußen auf der Straße vorüberglitten. Ich warf einen Blick auf das Bett und überlegte, was ich eigentlich überlegte, dann schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Programme.
»Steht irgendwas über dich in der Zeitung?«, fragte Eddi.
»Hab nichts gefunden.«
»Schau die Nachrichtensender durch«, sagte sie und nickte zum Fernseher. »Guck, ob sie irgendwas über Morris bringen.«
Während ich durch die Programme schaltete und nach Sky News oder BBC 24 suchte, ging Eddi zu ihrer Reisetasche, trug sie |249| ins Badezimmer und schloss die Tür. Ich hörte Wasserhähne laufen, das Öffnen von Reißverschlüssen, das Klappern von irgendwas …
Ich konzentrierte mich wieder auf den Fernseher. Es gab jede Menge Nachrichten, jede Menge quer unten über den Bildschirm laufende Schlagzeilen – Morde, Bombenangriffe, Kriege,
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