Beiss mich - Roman
nächsten stand. Es wäre schon sehr anmaßend gewesen, wenn ich ihr die kleine Neurose, die sie sich in jüngster Zeit zugelegt hatte, so übel genommen hätte, dass ich nicht wenigstens eine Kleinigkeit für sie besorgte. Also sah ich mich nach einem brauchbaren Geschenk für sie um, von dem ich sicher wusste, dass es ihr gefallen würde. Es war nicht leicht. Über und über mit Tüten und Kisten bepackt, kämpfte ich mich durch die Geschäfte, mehrmals aneckend und Gegenstände herunterreißend. Dann endlich fand ich das passende Geschenk: eine hinreißende, strahlend blau gefärbte Federboa, die einfach phänomenal zu ihrem sexy schwarzen Kleid aussehen würde. Es war ein Accessoire, das auch Solveig zum sofortigen Kauf gezwungen hätte, sobald sie seiner ansichtig geworden wäre – genau wie bei dem roten Kleid, ihrem letzten Weihnachtsgeschenk für mich.
Die wunderschöne kleinkindgroße Puppe mit den schwarzen Locken und den dichtbewimperten Augen, die ich kurz darauf in einem Spielzeugladen fand, musste dann auch noch mit, denn sie sah genauso aus wie Solveig.
Schwer beladen machte ich mich auf dem Weg zum Parkhaus. Ich hatte in jeder Hand ungefähr ein halbes Dutzend Tüten; die Kiste mit dem Spinnrad hatte ich über der Schulter baumeln, den riesigen Karton mit der Puppe unterm Arm. Dann blieb ich bei einem Geschäft mit Abendmoden wie angewurzelt stehen und starrte die Schaufensterpuppe an. Das männliche Plastikmodell trug über dem eleganten Smoking ein ganz ähnliches Cape wie Martin auf der Silvesterfeier. Auch der weiße Seidenschal sah genau so aus wie der von Martin. Das Ensemble wurde durch einen glänzenden Zylinder komplettiert, mit dem Martin faszinierend aussehen würde. Dazu der Schal, das Cape, die weiße gerüschte Hemdbrust – er wäre der Star jeder Operngala oder jedes eleganten Kostümfestes!
Mir fiel ein, dass das Cape nicht mehr bei uns zu Hause gewesen war. Also musste er es nach unserem Schäferstündchen wieder mitgenommen haben. Immerhin hatte er den Wein dagelassen. Doch was sollte er auch damit machen? Trinken konnte er ihn sowieso nicht. Er hätte ihn natürlich verkaufen können, das war ja sein Geschäft, doch mit dem Geld hätte er auch nicht viel anfangen können, nicht nach der Art zu urteilen, in der er lebte. Er hatte schon ein Haus, einen Sarg, einen PC und einen Kühlschrank. Was brauchte er mehr?
Ich merkte, dass ich mir über ihn den Kopf zerbrach, obwohl ich mir geschworen hatte, nicht mehr an ihn zu denken. Doch es half nicht viel. Trotz des tiefen Grolls, den ich gegen Martin hegte, ging ich in den Laden und kaufte den Zylinder. Er war unverschämt teuer, doch dafür war es ein klassischer Chapeau claque, weshalb die Hutschachtel von den Dimensionen her nicht zu viel Platz beanspruchte. Daher konnte ich auch noch das in wundervoller Elfenbein- und Achatschnitzerei ausgeführte Schachspiel mitnehmen, das mir wenig später ins Auge stach. Wenn Martin es nicht mochte, würde ich es kurzerhand meinem Ex schenken. Schließlich war es ja Rainers mühsam erbohrtes Schwarzgeld, das ich hier ausgab.
Anschließend kam ich, behängt mit all meinen Neuerwerbungen, nur mühsam voran – nicht, weil mir die Last der Tüten und anderen Behältnisse zu schwer geworden wäre, sondern weil ich mit all dem Kram um mich herum kaum noch etwas sehen konnte.
Während ich noch überlegte, ob ich das ganze Zeug nicht besser auf einen Kuli laden sollte, rempelte ich jemanden an.
Der größte Teil meiner Lasten krachte um mich herum zu Boden, und als ich mich danach bückte, fand ich mich Auge in Auge mit Kommissar Schimanski wieder.
»Na so was!«, sagte er verblüfft.
Ich richtete mich auf und starrte ihn an, dann ergriff ich mechanisch die Hand, die er mir hinhielt. Mehr verdattert als entsetzt betrachtete ich ihn anschließend dabei, wie er meine Habseligkeiten auflas. Erst als er wankend und stöhnend unter der Last zusammenzubrechen drohte und den Karton mit dem Spinnrad keuchend wieder abstellte, kam mir in den Sinn, dass ich ihm wohl tragen helfen sollte. Hastig sammelte ich die restlichen Tüten vom Boden auf und klemmte mir die Kiste mit dem Spinnrad unter den Arm. Die Puppenkiste kam unter den anderen.
Schimanski wog den Karton mit dem Schachspiel in den Händen.
Schwer, sagte sein Blick.
Im nächsten Moment sprach er es aus. »Für so ein kleines Persönchen sind Sie sehr stark.«
»Ich mache Liegestütze und Hanteltraining«, behauptete ich.
»Vielleicht sollte
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