Beiss mich - Roman
»Das ist auch so eine Sache. Sie müssten es eigentlich sein.«
»Da kann ich ja froh sein, dass sie es nicht sind«, meinte ich leichthin, schon auf dem Weg zur Tür.
»Warte, Lu.«
»Keine Angst, ich gehe schon nicht ohne dich, ich will nur meine Jacke anziehen.«
Auf der Rückfahrt nahm er einen neuen Anlauf. »Lass uns reden.«
»Worüber denn?«
»Über dich.«
»Das ist ein unergiebiges Thema.«
»Du bist verändert, Lu. Deine Augen, deine Haut … ich weiß nicht.«
Er schaute mich an, verwirrt, neugierig, ein wenig ängstlich – und geil. Ich sah den Puls unter seinem linken Ohr, das schwache Klopfen seiner Schläfenader.
Oh, gut, dachte ich, und dann: Wieso eigentlich nicht? Nur ein kleiner Schluck, während wir es miteinander treiben! Er war scharf auf mich, ich roch ja förmlich, dass er eine Erektion hatte!
Meine Eckzähne schoben sich leicht nach vorn. Ich steuerte mit einer Hand und hielt die andere beiläufig vor den Mund, bis ich merkte, dass es wieder verging.
»Lu?«
»Es geht mir gut«, sagte ich entschieden.
»Das ist nicht der Punkt. Du siehst gut aus. Aber anders.« Er zögerte. »Bist du vielleicht schwanger?«
Ich wandte vorsichtshalber den Kopf weg, bevor ich herzlich lachte. »Du liebe Zeit, nein!«
»Warst du in der letzten Zeit mal bei einem Arzt?«
Ich tippte ihm auf die Schulter. »Gerade eben.«
»Nein, bei einem Internisten zum Beispiel.«
»Anfang Januar war ein Arzt da, als ich die Grippe hatte. Ich habe mich seitdem bestens erholt und bin topfit. Zufrieden?«
Er rieb sich die Stirn, offenbar unschlüssig, was er davon halten sollte.
Mir war klar, was los war. Er hatte ein Jahr lang mit mir gelebt, mit mir in einem Bett geschlafen, mir bei Tisch gegenübergesessen. Er kannte jeden Zentimeter meines Körpers, so gut wie kein anderer Mann vor ihm und keiner nach ihm. Und er besaß all die ausgeprägten Instinkte des erfolgreichen Machers. Ihm entging so schnell nichts, und vermutlich machte ihm in erster Linie zu schaffen, dass er nicht den Finger darauflegen konnte. Wenn ich ihm nicht Einhalt gebot, würde er nicht lockerlassen. Und ich würde ihn vielleicht doch noch beim Hals packen, einfach so, für einen netten kleinen Mitternachtsimbiss.
Ich gab Gas und beeilte mich, ihn zu Hause abzusetzen. Als ich vor dem Bungalow anhielt, machte er keine Anstalten, auszusteigen.
»Babsi wartet sicher schon«, sagte ich.
»Lu.« Es klang gequält. Er wollte das, was er nicht kriegen würde, und da er das wusste, wünschte er es sich doppelt.
Um nicht der Versuchung zu erliegen, ihn doch noch mit den lustvoll-ambivalenten Freuden eines Vampirbisses bekanntzumachen, nahm ich seine Hand und hielt sie fest.
Er suchte meinen Blick. »Es hätte keinen Zweck mit uns beiden, oder?«
Ich konnte nichts sagen, weil er meine Zähne sonst gesehen hätte. Ich konnte sie ja kaum hinter der Lippe halten.
Doch zum Glück sagte ihm mein Schweigen genug, und seufzend entzog er mir die Hand, schob sie in die Innentasche seiner Jacke und brachte einen dicken braunen Umschlag zum Vorschein. »Hier. Bevor ich’s wieder vergesse.« Er öffnete den Umschlag, und ein Geldbündel kam zum Vorschein.
Meine Zähne schrumpften rapide, die Beißlust wich grenzenlosem Erstaunen. »Meine Güte, das hast du einfach so in der Tasche stecken?«
»Sicher. Ich habe mir angewöhnt, immer eine größere Menge Bargeld bei mir zu tragen.«
»Seit wann denn das?«
»Seit unserer letzten Diskussion über meine Säumigkeit.«
Überrascht nahm ich das Geld und wog es in der Hand. »Danke. Das ist ja ein richtiges Pfund.«
»Fünfzigtausend.«
»Das ist zu viel, Rainer!«
»Nicht für dich. Irgendwie habe ich das komische Gefühl, dass du es dringend gebrauchen kannst.«
»Dafür hast du bestimmt ziemlich viele Wurzelbehandlungen machen müssen.«
»Ich weiß sowieso nicht, wohin damit. Es ist Schwarzgeld, das muss eh unter die Leute.«
»Na dann … trotzdem danke. Ich nehme es als Abschlusszahlung. Damit bist du mich endgültig los.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich das will.« Er tat so, als wolle er sich das Geld schnappen, doch ich steckte es lachend in meine Handtasche.
Ich hätte ihn zum Abschied immer noch gerne geküsst oder gebissen oder beides, doch da ich nicht wusste, wohin das möglicherweise führen würde, ließ ich es lieber.
Stattdessen sagte ich ihm mit Worten, was ich empfand, obwohl ich darin noch nie besonders gut gewesen war.
»Du bist in Ordnung, weißt du das?«
Er fasste
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