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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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helle, luftige Räume mit großen Fenstern und lächerlich dünnen, kaum Schatten spendenden Gittern.
    »Stellen Sie sich vor, er hatte praktisch kaum noch was davon. An Blut, meine ich. Oh, es war natürlich noch einiges da, in Form einer Pfütze zum Beispiel. Aber es war nicht so viel, wie es hätte sein müssen.«
    Ich schluckte und leckte mir über die trockenen Lippen. »Warum erzählen Sie mir das eigentlich alles? Was habe ich damit zu tun?«
    »Haben Sie sich irgendwann mal mit Wahrscheinlichkeitsrechnung befasst?«, stellte er eine Gegenfrage.
    »Ich habe höchstens mal Lotto gespielt.«
    »Das ist ein guter Vergleich«, lobte er mich. »Wenn Sie einen Tipp abgeben, beträgt die Wahrscheinlichkeit, zufällig sechs Richtige zu landen, eins zu vierzehn Millionen. Ungefähr. Was glauben Sie, wie groß die Wahrscheinlichkeit für einen Zufall ist, wenn, sagen wir, eine Person als mutmaßliche Zeugin bei einem Diebstahl von frischem Menschenblut infrage kommt und nur wenige Wochen darauf im Haus ebendieser Person eine völlig ausgeblutete Leiche gefunden wird?«
    Ich zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen. Manchmal ist Frankfurt halt ein Dorf. Schauen Sie uns beide an. Sie sind auf dem Flughafen, ich bin auf dem Flughafen, und es ist zwei Uhr nachts. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Leute, die überhaupt nicht verreisen wollen, um diese Zeit auf dem Flughafen begegnen?«
    »Da haben Sie mich. Obwohl – ich muss sagen, dass ich ziemlich häufig dienstlich hier draußen zu tun habe, das engt die Zufälligkeit unseres Treffens vielleicht doch ein wenig ein.« Er schob das Bracket auf seiner Handfläche herum und wechselte das Thema. »Nun, der Pathologe wusste auch nicht so recht, wie dieses Ding in den Hals des Opfers gekommen ist, aber wir stellen natürlich gewisse Mutmaßungen an. Eine davon ist beispielsweise, dass der oder die Täter oder einer davon sich einer kieferorthopädischen Behandlung unterzogen hat.«
    »Wieso?« Ich tat verdutzt.
    »Dieses kleine Plättchen sieht vielleicht nicht auf den ersten Blick danach aus, ist aber gewissermaßen ein zahntechnisches Präzisionsinstrument. Es wird auf den Zahnschmelz geklebt und dient zur Führung des Drahtbogens bei der kieferorthopädischen Behandlung mit der sogenannten Zahnspange.«
    Ich grinste ihn mit meinen drahtlosen Zähnen an. »Ein Schulkind vielleicht?«
    »Das scheint in der Tat eine kleine Ungereimtheit zu sein. Allerdings soll es auch gelegentlich Erwachsene geben, die sich einer solchen Behandlung unterziehen.«
    »Ich persönlich kenne da niemanden«, sagte ich.
    »Ich auch nicht. Bis jetzt jedenfalls nicht.« Er trank von seinem Tee und schaute mich über den Rand der Tasse hinweg an. »Sie sehen bezaubernd aus.«
    Wieder dieser sprunghafte Wechsel. Anscheinend war das seine Masche, um bei einer Vernehmung ordentlich Verwirrung zu stiften. Er war wie eine Schlange, die sich von allen Seiten heranwindet, um dann urplötzlich aus völlig unerwarteter Richtung zuzustoßen.
    Ich verzog das Gesicht. »Soll das eine Anmache werden?«
    »Nicht doch. Sie haben mich nicht ausreden lassen. Ich wollte gerade hinzufügen, dass Sie ungewöhnlich blass sind.« Er furchte die Stirn. »Allerdings auf eine höchst attraktive Art, wenn ich das mal sagen darf.« Er stellte die Tasse ab und lächelte freundlich. Ich erwiderte aufmerksam seinen Blick und spürte, dass er jetzt wieder einen Haken schlagen würde.
    »Woher wussten Sie eigentlich von dem Mord? Sie waren doch in Urlaub.«
    Das war einfach.
    »Ich habe mit meiner Freundin telefoniert, die hat mir davon erzählt.«
    »Wo waren Sie in Urlaub?«
    »In Italien.«
    »Ach?«, meinte er erstaunt. »Ihre Freundin sagte, Sie seien nach Österreich gefahren.«
    »Ja, da war ich auch, das lag quasi auf dem Weg«, sagte ich lahm.
    Als Nächstes würde er meine Tankbelege sehen wollen. Und die Hotelrechnungen. Spätestens morgen hätte er auch rausgekriegt, dass das Bracket nur von mir stammen konnte. Ich war geliefert.
    Während ich ihn noch völlig niedergeschmettert anstarrte, piepte es aus seiner Jackentasche.
    »Telefon«, erklärte er und holte sein Handy raus. Er sah auf das Display. »Hm, das ist wichtig. Ich muss rasch drangehen. Entschuldigen Sie mich für eine Minute.«
    »Kein Problem«, meinte ich großmütig.
    Er stand auf und ging vor die Tür. Freundlicherweise wandte er mir dabei den Rücken zu. Kaum hatte er sich abgewandt, als ich auch schon losflitzte. In

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