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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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halsbrecherischem Tempo jagte ich mit meinem Kofferkuli aus der Cafeteria in die Halle.
    Natürlich kriegte er es mit und winkte hektisch. »Warten Sie! Was ist denn los?«
    »Hatte auch eben einen Anruf«, schrie ich. »Wichtiger Termin! Hatte ich ganz vergessen!«
    Eine dämlichere Ausrede hätte mir kaum einfallen können. Immerhin war es zwei Uhr morgens, welche wichtigen Termine gab es da schon einzuhalten? Anscheinend dachte er dasselbe. Er steckte sein Handy ein und setzte sich in Marsch, um mir zu folgen. »Ich komme morgen Vormittag gegen zehn Uhr dreißig bei Ihnen vorbei, würde das passen?«, rief er mir nach.
    »Ja, gerne!«, brüllte ich zurück und legte noch einen Zahn zu, nur für den Fall, dass er auf die Idee kam, aufholen zu wollen.
    Dabei muss ich den inoffiziellen Flughafenrekord im Kofferkulisprint gebrochen haben, denn die Leute blieben reihenweise stehen und starrten mir mit offenen Mündern hinterher.
    »Wow, hat die einen Speed drauf«, hörte ich im Vorbeirasen einen Mann staunen. Passanten, Wände, Schalter und Anzeigetafeln verschwammen und wurden zu einem bunten, vorbeihuschenden Spalier. Ich achtete nicht auf die vereinzelten überraschten Ausrufe, sondern hielt unbeirrt meine Richtung bei.
    Dann war ich endlich im Parkhaus. In fliegender Hast rollte ich den Kuli zum Wagen, warf meine Einkäufe in den Kofferraum, sprang hinters Steuer und verschwand mit qualmenden Reifen in der Nacht.

19. Kapitel
    I ch fuhr unverzüglich nach Hause, das heißt, zu meiner und Solveigs Wohnung. Da dieser oberschlaue Bulle sich morgen Vormittag bei mir einfinden wollte, sozusagen nach hochoffizieller Ankündigung, durfte ich wohl davon ausgehen, dass er heute Nacht keine Verhaftungs- oder sonstige Aktion mehr gegen mich plante.
    Damit blieb mir genug Zeit, ein paar Sachen zu packen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Viel würde ich bei diesem überstürzten Umzug nicht mitnehmen können, doch ein paar Dinge wollte ich nicht zurücklassen. Meine Familienfotos, ein Bündel alter Liebesbriefe von meinem ersten Freund, mein Examenszeugnis, meine Digitalkamera, mein Netbook.
    Außerdem brauchte ich Unterwäsche, warme Kleidung, Schuhe, Bücher, Schminkzeug. Ich dachte gar nicht daran, mir alles neu anzuschaffen, wenn ich es doch nur zu Hause abzuholen brauchte. Ab sofort würde ich jeden noch verbleibenden Cent von dem Geld, das Rainer mir gegeben hatte, für weitere Notfälle wie diesen bunkern. Ich ärgerte mich bereits, dass ich so leichtfertig fast zweitausend Euro für ebenso teure wie überflüssige Geschenke verpulvert hatte. Solche Anfälle von Verschwendungssucht würde ich mir künftig nicht leisten können, denn ich musste damit rechnen, dass Martin sein Angebot, mit ihm die Gruft zu teilen, sofort zurückzog, wenn er erst erfuhr, dass ich unter Mordverdacht stand. Solange ich mich im Mittelpunkt polizeilicher Ermittlungen befand, würde ich ihm nichts außer Ärger einbringen, Grund genug, mich schnellstmöglich und in hohem Bogen hinauszuwerfen.
    Der Aufzug im Haus war außer Betrieb. Als ich durch das dunkle Treppenhaus nach oben schlich, atmete ich die nächtlichen Gerüche des Hauses ein. Im Erdgeschoss Schweiß und Schnaps, im ersten Stockwerk leichter Öl- und Kohldunst, im zweiten Stock das Odeur voller Windeln und geronnener Milch, im dritten das schale Aroma von kaltem Kaffee und verbranntem Fleisch, im vierten Haschischausdünstungen. Doch das war alles nichts gegen das, was danach kam: Ich hielt mir die Nase zu, als ich in den fünften hochstieg, denn der unbeschreiblich ekelhafte Gestank aus Frau Herberichs Wohnung ließ mich fast rücklings die Treppe runterstürzen. Gott, wie das miefte! Dieses Konglomerat an unglaublich widerwärtigen, zutiefst abstoßenden Gerüchen inhalieren zu müssen, war der reinste Abstieg in den Hades. Ein Treffer mit dem Vorschlaghammer direkt auf die Nasennerven. Kein Vampir konnte das aushalten!
    Ich schloss mit Solveigs Schlüssel unsere Wohnungstür auf. Drinnen war es dunkel und still. Unverzüglich eilte ich weiter zu meinem Zimmer – und erstarrte, die Hand auf der Klinke. Solveig war zu Hause! Sie war in ihrem Bett und schlief. Ich vernahm das gleichmäßige Pochen ihres Herzens, ich erkannte den feinen Duft ihres Körpers. Sie roch wie immer, wie ich sofort voller Erleichterung erkannte. Da war kein Blut. Nicht ein bisschen. Ich hätte es sofort gemerkt. Er hatte sie nicht gebissen!
    Wilde, völlig unsinnige Erleichterung durchströmte

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