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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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Das musste operiert werden.«
    »So schlimm?«
    »Schlimmer als schlimm. Frag nicht nach Sonnenschein. Die arme Frau war sechs Wochen im Krankenhaus. Folgeinfektion. Medikamentenunverträglichkeit. Dauererbrechen. Und das alles bei fest zusammengeschraubten Kiefern.«
    Ich war entsetzt. »Muss so was bei mir auch gemacht werden? Muss ich unters Messer?«
    »Nein, erst mal in die Röhre.«
    Er lachte, als er meine verständnislose Miene sah. » MRT . Magnetresonanztomographie. Im Rotkreuzkrankenhaus haben sie gerade das absolute Topgerät reingekriegt, das Neueste vom Neuen, das Allerbeste, das auf dem Markt zu haben ist. Da würde ich dich hin überweisen.«
    »Moment mal, du bist überhaupt nicht mein Zahnarzt.«
    Er winkte ab. »Ich mach es ausnahmsweise auf Krankenschein.«
    »Womit du wohl zum Ausdruck bringen willst, dass du normalerweise nur noch Privatpatienten behandelst«, bemerkte ich spitz.
    »Natürlich«, sagte er milde erstaunt.
    Ich knirschte mit den Zähnen.
    »Siehst du!«, rief er triumphierend. »Ich hab’s genau gehört! Von nix kommt nix!«
    »Wo wir schon beim Thema sind«, begann ich, doch er wandte sich bereits an Katja, die soeben eilfertig mit einer frisch eröffneten Patientenkartei hereingeschwebt kam. Nach meinen Personalien fragte sie gar nicht erst. Was noch fehlte, konnte Rainer ja ohne Weiteres eigenhändig nachtragen.
    »Machen Sie doch für meine Frau eine Überweisung zum MRT fertig. Dann einmal seitliches Fernröntgen, OPG und Herstellen eines Aufbisses. Beim nächsten Termin klären wir dann den Rest.«
    Katja notierte es eifrig.
    Zu mir sagte er: »Nach der Kiefertomographie kommst du mit den Ergebnissen erst mal wieder zu mir, dann überlegen wir, wie es weitergeht.«
    Ich wollte ihn darauf hinweisen, dass ich längst nicht mehr seine Frau war, doch ich kam nicht mehr zu Wort.
    »Sind noch Patienten da?«, fragte Rainer, ganz der geschäftige Notzahnarzt.
    »Ein Herr in der Zwei«, säuselte Katja mit zart geröteten Wangen. »Die Karte liegt vorne.«
    Als Rainer mit einem angedeuteten Luftkuss den Raum verließ, öffnete ich den Mund, um zu protestieren, doch dann bemerkte ich das in meinen Ohren wie ein Luftgewehr klingende Knacken meiner Kiefergelenke und erstarrte.
    »Gell, das ist ganz schön lästig«, meinte Katja mit professionell eingeübtem Mitgefühl. Ich musste ihr das Knacken mehrmals vorführen, dann ließ sie mich in einem bestimmten Winkel zubeißen und quetschte mir dabei eine rosa Masse in den Mund.
    Hinterher spuckte ich die matschigen Krümel aus und ließ mich von ihr in ein mit teuerster Technik vollgestopftes Kabuff führen, wo sie mir eine Bleischürze umhängte und meinen Kopf in ein Röntgengerät klemmte. Nach ein paar Anweisungen ging sie hinaus, um irgendwelche Schalter zu drücken. Während es um mich herum knisterte und summte, fiel mir ein, dass Rainer versäumt hatte, meine Finanzen aufzufrischen. Außerdem hatte er mir nicht erklärt, was nach der komischen MRT -Geschichte mit mir und meinem Kiefer geschehen sollte.
    Nach der Prozedur des Röntgens fragte ich Katja, ob diese brandneue Magnetröhre im Rotkreuzkrankenhaus bei Kieferknacken eine Art Spontanheilung bewirke. Auf meine Frage erntete ich einen Blick, der keinen Zweifel daran ließ, wie unterentwickelt ihr Sinn für Humor sein musste.
    Sie antwortete mit der ernsthaften Bemerkung, dass MRT ebenso wie Röntgen nur ein Diagnoseverfahren sei. Beides diene allein dazu, den fortschreitenden Verschleiß meiner Kiefergelenke in allen Einzelheiten zu dokumentieren. Die eigentliche Behandlung schließe sich erst hinterher an.
    »Ja, ja, natürlich«, sagte ich ungeduldig. »Aber worin besteht denn nun die eigentliche Behandlung?«
    »Die können wir hier nicht machen.«
    »Wer macht sie denn?«
    »Ein Kieferorthopäde. Bei Ihnen muss eine Zahnregulierung durchgeführt werden. Sonst wird eine ganz, ganz schlimme Sache daraus.«
    »Sie meinen … Eine Zahnspange? Wie bei einem Kind?«
    »So ungefähr. Bei Erwachsenen macht man das allerdings praktisch nur mit fest sitzenden Apparaturen. Bänder und Brackets, Sie wissen schon. Alles Dinge, die man nicht rausnehmen kann.«
    Ich musste mich irgendwo festhalten.

3. Kapitel
    S olveig fand den Gedanken, dass meine Zähne verdrahtet werden sollten, zum Schreien komisch.
    »Meine Güte, Luzie! Brackets! Das halt ich nicht aus! Du wirst keinen Tag älter als vierzehn aussehen!«
    Ich wollte gar nicht daran denken. In meiner Klasse hatte es ein paar

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