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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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besonders wirksamen Sachverhaltsschilderungen war, die erst durch das Weglassen der eigentlich entscheidenden Tatsachen zur Lüge wurden. Martin hatte recht: Das Schwindeln wurde mir bereits zur zweiten Natur. Ich war bereit, mich unerschrocken allen Uschi- und Zahnspangenfragen zu stellen. So schnell würde er mich nicht in die Enge treiben!
    Doch schon bei seiner nächsten Bemerkung erkannte ich, wie sehr ich ihn wieder unterschätzt hatte.
    Er zeigte in die Ecke. »Ihr Fernseher ist ja gar nicht mehr da.«
    »Der? Oh, ja, stimmt. Er … äh, ist kaputt.«
    »In Reparatur?«
    Ich nickte und wartete verzagt darauf, dass er den Namen der Reparaturfirma wissen wollte, doch wieder schlug er einen seiner Haken. Er nahm ein Buch von einem Stapel, der sich neben dem Sessel auf dem Fußboden türmte. »Fürst der Finsternis«, las er den Titel vor. »Interessantes Buch. Ich kenne es zufällig. Es ist der zweite Band aus der berühmten Chronik der Vampire von Anne Rice. In letzter Zeit beschäftige ich mich ziemlich viel mit dem Thema. Man könnte sogar sagen, dass es mein liebstes Hobby geworden ist.«
    Das verschlug mir die Sprache. Ich konnte ihn nur noch anstarren. Jetzt hatte er mich!
    Er seufzte. »Der arme Kerl da drüben liegt schon eine kleine Ewigkeit im Küchenschrank. Der Verwesungsprozess war bereits nachhaltig im Gange. Das Werk einer Wahnsinnigen, genau wie die Tat im Keller, möchte man meinen.«
    »Möchte man«, echote ich schwach.
    »Zumal es überall drüben in ihrer Wohnung deutliche Hinweise darauf gibt, dass sie auch in die Morde an den Fußpflegern verwickelt ist.«
    Ich war restlos verblüfft. Das war schon wieder eine Wendung, doch im Gegensatz zu den vorangegangenen schien mir hier endlich der Ausweg zu winken.
    »Sie meinen, die Herberich hat nicht nur den Mehmet umgebracht, sondern auch die Fußpfleger und … den Typen im Keller?«, wagte ich vorsichtig zu fragen.
    »Was Mehmet angeht – nun, er liegt tot drüben in ihrem Schrank. Als Corpus Delicti sozusagen. Was die Fußpfleger betrifft, so ist da einmal ihr gewaltiges Fußpflegearsenal, mit dem man drei große Kaufhäuser bestücken könnte, so wie ferner eine erstaunliche Vielfalt von Zeitungsausschnitten über die beiden Morde und schließlich ein Nagelnecessaire mit Namensaufdruck, das einem der Opfer gehört hat. Vermutlich werden wir noch mehr Indizien finden. Bis morgen läuft jedenfalls die Fahndung nach ihr auf Hochtouren. Ich werde für die Nacht zwei Leute zur Bewachung hierlassen. Falls sie auf die Idee kommen sollte, an den Tatort zurückzukehren.« Und dann kam er auf den eigentlichen Kern unseres Gesprächs. »Was den ersten Fall im Keller angeht …«
    »Ja?«, stieß ich hervor.
    »Hier dauern die Ermittlungen noch an. Gewisse Übereinstimmungen zu den anderen Taten lassen sich aber bereits jetzt erkennen.«
    Das fehlende Blut, dachte ich. Dann blickte ich benommen auf. Er wusste ganz genau, dass die Sache im Keller auf mein Konto ging. Und er ahnte, was ich war. Aber er verschaffte mir eine Galgenfrist und ebnete mir den Weg für einen bequemen Abgang. Wieso?
    »Letzte Woche ist in der psychiatrischen Abteilung des Universitätskrankenhauses ein Mann eingeliefert worden«, fuhr er langsam fort, seine Blicke seltsam eindringlich auf mich gerichtet. »Er war wegen schwerer Körperverletzung, Raub und Drogenhandel seit Längerem zur Fahndung ausgeschrieben, weshalb unsere Behörde auch automatisch benachrichtigt worden ist. Einer von den Pflegern ist ein Landsmann von ihm und hat uns höchst Merkwürdiges berichtet. Der Patient ist zwar medikamentös ruhiggestellt, doch er hört nicht auf, immer wieder dieselbe Geschichte vor sich hinzumurmeln, nach welcher eine Dschinni seinem Freund die Kehle zerrissen und sein Blut getrunken hat.« Schimanski hielt inne und blickte mich fragend an. »Sie wissen, was eine Dschinni ist?«
    »Ein weiblicher Dämon«, flüsterte ich.
    Er nickte. »Der Mann hat große Angst, dass ihm dasselbe Schicksal widerfahren wird, denn er hat der Dschinni ein Messer in die Seite gestoßen. Nun lebt er in der beständigen Furcht, nirgends vor der Rache der Dschinni sicher zu sein. Am größten aber ist seine Angst in den Nächten, denn er weiß, dass diese Art von Dschinn die Menschen nur nachts heimsuchen kann.«
    Meine Antwort fiel heftiger aus als beabsichtigt. »Diese Art von Dschinn sind vielleicht auch nur Menschen, die sich bloß wehren, wenn man sie in die Enge treibt.«
    Wir schwiegen uns ein paar

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