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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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damals häufig in einer versteckten Höhle im Wald, wo ich sie schließlich fand. Sie war ein dünnes, blasses Mädchen, kaum mehr als ein Kind, völlig entrückt und ganz erfüllt von ihrer vermeintlich göttlichen Gabe. Als ich sie fragte, seit wann sie diese Kräfte habe, erzählte sie, dass sie einmal in der Nacht von einem fahnenflüchtigen Soldaten überfallen worden sei, der sie wie tot liegen ließ. Dann sei ihr ein Engel erschienen und habe ihr sein Blut gegeben und sie so gerettet. Und ihr damit zugleich die göttliche Gabe des Heilens verliehen.«
    »Sie hatte einen Knacks«, stellte ich fest. »Und das alles bloß, weil ihr einer von uns aus lauter Mitleid eine Verwandlung verpasst hat.«
    »Sie war keine Psychopathin«, versicherte Martin. »Fanatisch, das ja. Kompromisslos in jeder Beziehung. Völlig durchdrungen von religiösem Eifer. Bereit, ihr Leben hinzugeben für ihren Glauben. Auf ihre Art war sie sozusagen eine Märtyrerin.«
    Ich nickte einigermaßen belämmert. Mama wäre höchst erfreut, das zu erfahren.
    »Ich hatte sie eindringlich gewarnt, denn ich hatte gehört, dass einer der Feldprediger sie beim Präfekten und beim Garnisonskommandanten denunzierte. Doch sie wollte nicht aufhören. Eines Abends fand ich sie dann in der Höhle. Sie hatte sich mit letzter Kraft hineingeschleppt. Sie war … Sie …« Martin fuhr sich mit der Hand über die Augen, und ich erkannte endlich die Zusammenhänge. »Man hatte ihr all diese entsetzlichen Verwundungen zugefügt. Und doch war sie nicht tot, denn sie war ja kein normaler Mensch. Sie lebte und atmete. Aber das war kein Leben mehr. Sie schrie und weinte und betete. Sie starb, langsam und qualvoll, und es hätte vielleicht noch viele Tage gedauert. Sie hat mich angefleht …«
    »Und da hast du sie erlöst«, sagte ich schlicht.
    Ein Zug der Qual lag um seinen Mund. »Der Klosterbruder hatte ihr das angetan, dieser Magnus. Er hatte sie in der Höhle gefunden, schlafend, und hat sie ans Licht gezerrt. Dort hat er sie verstümmelt und einfach liegen lassen. Als die Sonne unterging, kam sie zu sich, ihrer Augen und ihrer Gliedmaßen beraubt und fast völlig verkohlt …« Martins Stimme versagte. »Sie schleppte sich in die Höhle zurück, und da fand ich sie später.«
    Sie hatte entsetzlich gelitten und ihn angebettelt, ihrer Qual ein Ende zu bereiten. Er hatte sie mit einem raschen Biss erlöst, und indem er ihr Blut trank, hatte er das endgültige Sterben für sie in einen Akt letzter Ekstase verwandelt.
    Als Martin mir gesagt hatte, ich würde sterben, wenn ich andere verwandelte, hatte er mich vor den Folgen eines solchen Verhaltens warnen wollen. Wer das Tabu missachtete, begab sich in tödliche Gefahr. So wie Lucia. Denn letztlich war ihr Tod die Folge ihres zwanghaften Drangs gewesen, andere Menschen zu verwandeln.
    Doch da musste noch mehr sein.
    »Du hast noch jemanden deswegen sterben sehen«, sagte ich.
    Er senkte den Kopf. »Sie hieß Maria. Ich habe sie Mitte der Dreißigerjahre in Paris kennengelernt. Sie war eine von uns, eine bildschöne, kapriziöse Frau mit einem hinreißenden Lachen. Sie gehörte einer Theatergruppe an, die damals auf dem Montmartre gastierte. Zwei andere aus der Truppe waren ebenfalls Vampire, der Rest war menschlich, aber eingeweiht. Sie waren eine fest verschworene Gemeinschaft.«
    Martin hatte sich gleich bei der ersten Vorstellung in Maria verliebt, völlig betört von der Erkenntnis, dass sie wie er ein Wesen der Dunkelheit war. Sie hatten mehrere Wochen in einem Taumel des Glücks verlebt und sich hingebungsvoll aneinander erfreut. Martin war noch nie in seinem vorherigen Leben so glücklich gewesen, und er begann fast zu glauben, dass es ihm vergönnt sei, ein Leben in Liebe zu führen, gemeinsam mit einer Frau, die er vergötterte und die ihm alles gab, was er in vielen Jahren so schmerzlich entbehren musste. Doch dann war ein Unglück geschehen. Das Theater wurde durch einen Brand völlig zerstört, und das Feuer griff auch auf die Kellergewölbe über, in denen die Mitglieder der Truppe schliefen. Sie wurden alle getötet, bis auf Maria, die sich zu der Zeit bei Martin befunden hatte. Von der Zeit an veränderte sich Maria. Die Theatervorstellungen und Proben, die bisher einen Großteil ihres Lebens bestimmt hatten, gab es nun nicht mehr. Es war, als sei ihr plötzlich jegliche Lebensgrundlage entzogen worden, und Martin musste schmerzvoll erkennen, dass nicht er bei Maria an erster Stelle gestanden hatte,

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