Beiss mich - Roman
blitzschnell zuwarf, als ich hereinkam. Dort standen Mehmet, sein Freund Schnabelnase und noch ein Typ, den ich nicht kannte. Alle drei schienen nicht besonders erbaut über die Störung. Ich roch ihre Wut.
Merkwürdigerweise hatte ich keine Angst, eine Tatsache, die mich eigentlich hätte erstaunen sollen, über die ich in diesem Moment jedoch gar nicht groß nachdachte. Es war einfach so, dass mir kalt war und dass in dem Trockner da vorn mein Pulli steckte. Was mit dem Koffer los war, interessierte mich nicht. Hier galt Solveigs Motto Vergiss es, dann vergessen sie es auch .
»Lasst euch nicht stören, Jungs, ich will nur eben rasch meinen Pulli holen.«
Ich hatte mich gerade gebückt, um die Tür des Trockners zu öffnen, als ich den kalten Stahl des Messers an meinem Hals spürte.
Eine Hand packte mein Haar und zog mich hoch, eine andere hielt mir das Messer an den Hals, eine dritte grapschte nach meinem Busen, eine vierte fummelte an meiner Hüfte herum und zerrte mir den Rock hoch.
Hände Nummer fünf und sechs fuchtelten vor meinem Gesicht herum. Sie gehörten zu Mehmet, der mich ärgerlich anfunkelte. »Was willst du hier, eh?« Zu seinen Bekannten sagte er etwas, das ich nicht verstand, das aber für mich wie Lass sie in Ruhe klang. Doch sein Protest verhallte ungehört.
»Fuck«, sagte Schnabelnase. Er keuchte mir von hinten ins Ohr und schob mir die Hand zwischen die Beine, wobei es ihn aufs Angenehmste zu überraschen schien, dass ich keine Unterwäsche trug. Der andere Typ stand daneben und hielt das Messer an meine Halsschlagader.
»Yeah, fuck her«, meinte er gut gelaunt. Er trat mir mit einem Ruck die Beine weg, und ich fand mich flach auf dem Rücken liegend wieder. Im nächsten Augenblick schnappte ich nach Luft, denn Schnabelnase warf sich mit der Eleganz eines zusammenbrechenden Rhinozerosses auf mich. Mit seiner Rechten packte er meine beiden Hände, zog sie mir über den Kopf, schob mir mit den Knien die Beine auseinander und versuchte mit der freien Hand seine Hose aufzumachen. Der Typ mit dem Messer ragte hinter ihm auf und sah breit grinsend zu. Mehmet sah dagegen ziemlich unglücklich aus, offenbar fand er das Ganze weniger erfreulich. Er versuchte noch einmal zu protestieren, wurde aber ignoriert. Hastig schnappte er sich schließlich den Koffer und verschwand aus meinem Blickfeld. Unmittelbar darauf hörte ich eine Tür zufallen. Damit schied er als Retter eindeutig aus. Doch das machte nichts, denn ich hatte immer noch keine Angst.
All das geschah innerhalb so kurzer Zeit, dass es höchstens zehn Sekunden beansprucht haben konnte. So lange dauerte es, bis Schnabelnase einen entscheidenden Fehler beging. Vielleicht wäre ihm tatsächlich der Vollzug geglückt (obwohl ich das im Rückblick doch eher bezweifle), wenn er nicht gleichzeitig versucht hätte, mich zu küssen.
Er hatte ziemlichen Mundgeruch, doch als er seine Zunge zwischen meine Zähne zwängte, merkte ich schon nichts mehr davon. Die Wirklichkeit entglitt mir von einer Sekunde auf die andere, und zwar so vollständig und nachhaltig, dass ich später nicht mehr sagen konnte, was genau überhaupt passiert war. Ich versank in einem heißen, wirbelnden, dunkelroten Rausch, ich raste in einem Hochgeschwindigkeitsexpress einer Explosion entgegen, die nichts und niemand mehr verhindern konnte, am allerwenigsten ich selbst.
Ich erinnere mich nur noch an das Knirschen des Drahts, der unter der Wucht entzweibrach, mit der meine Zähne hervorschossen und sich in Fänge verwandelten. Und dann floss das Blut in meinen Mund, so sengend köstlich und betäubend herrlich, dass mir die Sinne schwanden.
Ab da war ich buchstäblich narkotisiert und kam erst wieder zu mir, als alles vorbei war.
15. Kapitel
E s dauerte eine Weile, bis ich meine Befindlichkeiten sortiert hatte. Mein Denkvermögen kehrte nur stückweise wieder. Zunächst drangen nur wenige, aber entscheidende Details in mein Bewusstsein vor.
Ich hatte nicht nur einen nassen Lappen im Mund stecken, sondern auch ein Messer zwischen den Rippen. Das waren meine beiden ersten konkreten Wahrnehmungen nach diesem Blackout. Die dritte war, dass Schnabelnase neben mir lag, ich sah seinen Hinterkopf und sein Ohr mit dem Brilli. Der Typ mit dem Messer (oder besser: ohne das Messer) war verschwunden.
Ich lag immer noch flach auf dem Rücken. Das Messer steckte bis zum Heft in meiner Seite. Ich hatte vorhin gesehen, wie lang es war, und ich wagte nicht darüber nachzudenken, was
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