Beiss mich - Roman
gleich.«
»Was haben wir gleich?«
»Dich in meinem Auto.«
Und wirklich, sie riss und zerrte so lange an meinem geschundenen Körper herum, bis sie mich auf den Rücksitzen ihres Wagens verstaut hatte. Zwischendurch wurde ich immer für ein paar Sekunden ohnmächtig vor Schmerz.
»Hast du das Messer rausgezogen?«
»Wo denkst du hin? Glaubst du, ich bin blöd? Ein Messer in der Wunde zu lassen, ist die Ultima Ratio an Erster Hilfe.«
Sie hatte es also auch gelesen. Wahrscheinlich hatte es in einer der Illustrierten gestanden, die wir immer auf der Toilette lasen. Das heißt, jetzt las nur noch Solveig auf der Toilette. Ich verbrachte nicht mehr genügend Zeit dort.
Ich spuckte aus, um den metallischen Geschmack im Mund loszuwerden. Dabei flogen auch ein oder zwei Brackets durch die Gegend und verfingen sich in meinem Haar. »Bringst du mich ins Krankenhaus?«
»Willst du das denn?«
»Nur, wenn es auf der Intensivstation keine Fenster gibt.«
»Was schlägst du vor? Sollen wir eine Besichtigungstour durch die verschiedenen Krankenhäuser unternehmen?«
Sie warf die Autotür zu, ging um den Wagen herum und setzte sich auf den Fahrersitz. Ich bemühte mich, möglichst flach zu atmen, um nicht wieder die Besinnung zu verlieren.
»Im Grunde gibt es nur eine Chance«, sagte sie. »Ich kenne sonst niemanden, der dir helfen könnte.« Hörte ich aus ihrer Stimme einen Beiklang von Selbstzufriedenheit heraus?
Ich kombinierte in Windeseile und schrak zusammen. »Nein! Auf keinen Fall!«
»Wieso nicht? Wir wollten doch sowieso zu ihm, hast du das etwa schon vergessen? Welche Rolle spielt es schon, ob wir heute oder morgen fahren? Wo ist der Unterschied?«
Ja, wo war er? Ich unterdrückte nur mit Mühe ein hysterisches Lachen. Genau betrachtet gab es tatsächlich keinen Unterschied. Höchstens einen ganz kleinen, in Form einer zwanzig Zentimeter langen Klinge in meiner Seite. Kein Grund, Die große Aussprache abzusagen.
»Solveig, ich habe kein gutes Gefühl dabei. Er wird uns umbringen!«
»Das hätte er schon vorher tun können, wenn er es drauf angelegt hätte.«
»Du kennst ihn nicht.«
»Ich kenne ihn besser als du. Schließlich habe ich ihn eingeladen. Und mich hat er geküsst, bevor er mich gebissen hat.«
Ich hütete mich, darauf hinzuweisen, dass er mich auch geküsst hatte, von dem Rest ganz zu schweigen. Sie hätte dann zwar möglicherweise ihr dämliches Vorhaben fallen gelassen, doch wer wusste schon, wie ihr Alternativplan aussah. Zum Beispiel könnte sie wie jeder vernünftige Bürger, der eine Leiche im Waschkeller findet, einfach die Polizei rufen.
»Hast du vielleicht eine bessere Idee?« Sie wandte sich zu mir um. Auf ihrer Oberlippe stand Schweiß. Es musste sie sehr angestrengt haben, mich in den Wagen zu schaffen. »Schau mal. Es ist doch ganz einfach. Morgen früh, vielleicht sogar heute Nacht noch, wird dieser Typ im Keller gefunden. Dann rennt die Polizei durchs ganze Haus und mischt uns alle auf. Vielleicht hat ja sogar irgendwer gesehen, wie du in den Keller gegangen bist.«
Ich dachte an Frau Herberich, Mehmet und den Messerschwinger. Wenn es denn nur einer gewesen wäre. Aber gleich drei! Und eine Zeugin hatte ich sogar gebissen! Wenn das nicht wunderbar zusammenpasste!
»Was soll ich sagen, wenn die Kripo dich sprechen will? Tut mir leid, aber Frau von Stratmann muss leider tagsüber Bettruhe einhalten? Nein, du kannst auf keinen Fall in der Wohnung bleiben. Wir müssen weg, so schnell wie möglich. Wenn ich dich erst mal untergebracht habe, sehen wir weiter. Wir können so tun, als seien wir ein paar Tage in Urlaub gefahren. Für morgen hatte ich mir ja sowieso freigenommen. Am Montag lasse ich mich dann wieder hier blicken und sondiere die Lage.«
»Und wenn die Polizei wissen will, wo ich bin?«
»Dann sage ich einfach, dass du noch woanders hinfahren wolltest.«
Sie hatte anscheinend an alles gedacht.
»Können wir den Kerl nicht einfach verschwinden lassen?«
»Er ist zu schwer. Ich schaffe das nicht alleine. Und du kannst mir wohl kaum dabei helfen.«
Damit hatte sie recht. Der Schmerz war zwar abgeebbt, doch dafür fühlte sich meine ganze rechte Seite taub an. Mein Bein, mein Arm, meine Schulter – alles war wie gelähmt.
Solveig machte Anstalten, aus dem Wagen zu steigen. »Ich gehe mich mal eben etwas frisch machen, bevor wir fahren.«
»Wozu das denn?«
Doch sie war schon ausgestiegen und hatte die Tür zugeknallt.
Wahrscheinlich war ich sowieso dem
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